Maybeshewill – I Was Here For A Moment, Then I Was Gone
Nach zwei in einem nackten Schlafzimmer aufgenommenen Alben gehen Maybeshewill regelrecht aus sich heraus. Anders gesagt: Die Briten haben sich in ein echtes Studio gewagt, um ihrem rein instrumentalen Post Rock-Klängen mehr Volumen zu verleihen. Ohne DIY ging es natürlich nicht, die Produktion hat Bassist Jamie Ward übernommen, während man fürs Mastering Tim Turan (Grammatics, Bob Dylan, Jimmy Eat World) gewinnen konnte. Das Ergebnis „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone“ funktioniert als Soundtrack für einen Film, der erst geschrieben werden muss, und wird nun in einem zweiten Anlauf neu aufgelegt – ein kleiner Zeitsprung, der angesichts 18 Monate Songwriting und Aufnahmen nicht ins Gewicht fällt.
Tatsächlich kann man eine Art Inhalt zum Album spinnen, sich Bilder zu Musik denken. Kopfkino nennt man das, in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes. Ein kleines „Opening“ untermalt die ersten Szenen, bevor mit „Take This To Heart“ die erste ‚Abfahrt‘ folgt, ein überraschend forscher Höllenritt mit markigen Gitarren und dramatischen Streichern, zwischendurch von abwartenden Pianoklängen gebrochen. Die ‚Single‘ „Critical Distance“ arbeitet mit ähnlichen Mechanismen, gibt sich jedoch deutlich euphorischer und für sich einnehmender. Erneut wirken die Gitarren mächtig, jedoch wesentlich fröhlicher und energischer, beinahe verspielt und von kleineren Zäsuren entsprechend in Szene gesetzt.
Gerade die etwas härteren Tracks liegen Maybeshewill besonders gut. „An End To Camaraderie“ ist eine echte Tour de Force mit Klängen, die man stellenweise auch von den ehemaligen Tour-Partnern Long Distance Calling kennt – schroff und doch magisch. Absolutes Highlight ist jedoch „Farewell Sarajevo“, das dank Streichereinflüssen gar an Apocalyptica erinnert. Hier kommt das Soundtrack-Element voll und ganz zu tragen, der Song klingt nach großem Kino, nach bittersüßem Abschied, nach Flucht und Krokodilstränen. Ebenfalls erwähnenswert: „Relative Minors“, dessen weitläufige Pianoflächen die Gitarren besonders intensiv in Szene setzen, für eine gewisse klassische Note sorgen, dem Track eine erhabene Note verleihen.
Die Stärke von Maybeshewill liegt im verstärkten Einsatz des Klaviers – ein Instrument, das man viel zu selten findet, vor allem in dieser Virtuosität. Gemeinsam mit den Streichern lässt es „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone“ wesentlich klassischer, erhabener und dramatischer wirken, unterstreicht den angestrebten Soundtrack-Charakter und betont vor allem die stellenweise schroffen, druckvollen Gitarrenparts. Für das Quartett aus Leicester ist ihr drittes Album gleichzeitig ihre bislang feinste Stunde, ein kleines Stück Magie, Kopfkino vom Feinsten. In punkto Instrumental / Post Rock kann Maybeshewill kaum einer das Wasser reichen – zukünftig hoffentlich mit deutlich höherer Aufmerksamkeit für und damit verbundener Live-Präsenz von den Briten.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 23.09.2011
Erhätlich über: Function Records (Cargo Records)
Website: maybeshewill.net
Facebook: www.facebook.com/mybshwll
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