Textures – Dualism
Ein Besetzungswechsel einer Band ist ja keine Seltenheit. Wenn damit aber auch ein Wechsel hinter dem Mikro gemeint ist, löst das unter Fans schon mal eine mittelschwere Panikattacke aus. Die holländischen Tech- / Progressive-Metaller von Textures mussten letztes Jahr neben dem Weggang von Langzeit-Keyboarder Richard Rietdijk auch noch den Abtritt von Gesangswunder Erik Kalsbeek überwinden. Auch der Überlauf von Listenable Records zum Szene-Riesen Nuclear Blast löste ein dezentes Raunen in den eingefleischten Fan-Reihen aus. Nun ist „Dualism“, der vierte Streich der Holländer, endlich auf dem Markt und das ursprüngliche Bangen um Identitätsverlust und dergleichen ist wie weggeblasen.
Produktionstechnisch gibt es wie gwohnt nichts auszusetzen. Wie schon bei den Vorgängern hat Gitarrist und Gründungsmitglied Jochem Jacobs den Songs einmal mehr einen organischen Sound verpasst und lässt die Drums schön knackig, die Gitarren transparent und die Vocals kraftvoll klingen. Natürlich ist das nicht möglich, wenn ohnehin nicht schon genügend Talent bei den sechs Musikern vorhanden wäre. Allen voran glänzt Neuzugang Daniel De Jongh (Ex-Cilice) mit einer überragenden Gesangsdarbietung, die jener von Vorgänger Erik Kalsbeek in nichts nachsteht – eine echte Seltenheit in der Musikbranche. Hörern, die mit Textures bis dato nur marginal zu tun hatten, würde der Sängerwechsel wahrscheinlich nicht einmal auffallen.
Neben dem Gesang wurden aber auch die Song-Arrangements noch um einen Tacken verfeinert. Der Death- / Thrash-Anteil ist weniger vordergründig als noch auf „Drawing Circles“ und „Silhouettes“. Stattdessen wird flächendeckenden und sphärischen Passagen mehr Gewicht verliehen. Auch die eine oder andere Ambient-Nuance fällt auf, was bereits der Opener „Arms Of The Sea“ deutlich macht. De Jongh trumpft mit einer enorm variablen Gesangs-Performance auf und überzeugt in den cleanen Passagen in allen Tonlagen. Auch die derben Growls und Shouts des Holländers kommen mit ordentlich Power rüber.
Die fast schon radiotaugliche Nummer „Reaching Home“ kommt gar gänzlich ohne Gebrüll aus. Luftig-leichte Gitarrenharmonien und extrem cooles Drumming bieten die idealen Voraussetzungen, um De Jonghs gefühlvolle Stimme ins rechte Licht zu rücken. Damit sollten auch die hartnäckigsten Zweifler eingestehen, dass mit dem Neuling ein echter Glücksgriff gelungen ist. Wer sich jetzt um verlorene Härte und Aggression sorgt, darf jedoch beruhigt aufatmen. Brachiale Riffattacken kommen in den insgesamt elf Songs genauso zum Einsatz, wie Meshuggah-esque Brüllorgien.
Textures ist eine der facettenreichsten Bands dieser Zeit und das bekommt man von der ersten bis zur letzten Sekunde zu spüren. Anhänger von harten, vertrackten Songs („Singularity“, „Stoic Resignation“) kommen genauso auf ihre Kosten, wie Freunde von experimentellen, Devin Townsend-artigen Passagen („Consonant Hemispheres“ oder das instrumentale „Burning The Midnight Oil“). Die Stärke der meisten Songs ist die perfekte Balance zwischen kompromissloser Härte und epischen Soundwänden („Sanguine Draws The Oath“, „Minor Earth, Major Skies“).
Die Holländer haben einen Status erreicht, von dem ein Großteil der Djent-Bewegung und andere Progressive Metal-Bands nur träumen können, nämlich den Status als Referenzband gelten zu können. „Dualism“ gleicht einer fast einstündigen Achterbahnfahrt ohne auch nur den geringsten Anflug von Langeweile aufkommen zu lassen. Textures haben mit ihrem vierten Langeisen einen echten Leckerbissen in Sachen Polyrhythmik gezaubert. Der Siegeszug kann weitergehen.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 23.09.2011
Erhältlich über: Nuclear Blast (Warner Music)
Website: texturesband.com
Facebook: www.facebook.com/textures
Letzte Kommentare