Kontrust – Second Hand Wonderland
Es ist durchaus faszinierend zu sehen, wie Kontrust in Mitteleuropa abräumen. Das heimische Sextett steht für einen Sound, der seit Jahren immer und immer wieder für tot erklärt wird (Crossover) und wagt überdies die fatale Kombination einer Sängerin und eines Rappers, die man in der ebenso längst vergangenen Eurodance-Ära ansiedeln könnte. Mit „Time To Tango“ bewiesen Kontrust jedoch, dass man mit gutem Songwriting und fantastischer Selbstvermarktung (gerade die Musikvideos – „Bomba“ hat bereits die Zwei-Millionen-Klicks-Schallmauer durchbrochen – waren und sind eine echte Freude für Augen und Ohren) auch vermeintliche Nachteile in einen unheimlichen Erfolg verwandeln kann. Auf „Second Hand Wonderland“ müssen die Herren plus Dame nun beweisen, dass sie keine Eintagsfliege sind.
Ob Kontrust überhaupt noch viel größer werden können, ist die große Frage – einen Auftritt auf dem polnischen „Przystanek Woodstock“-Festival vor mehr als 300.000 Menschen (die polnische Version von „Time To Tango“ erfreut sich großer Beliebtheit) und den Amadeus Award kann man schwer toppen. Musikalisch scheint man jedoch noch mehr Gas zu geben. Das anfängliche Jodeln, mit dem die Single „Sock ’n‘ Doll“ eingeleitet wird, scheint ein kleiner Querverweis zum „Bomba“-Clip zu sein. Kontrust geben Vollgas, bauen aus fetten Rammstein-Gitarren, Raps, vereinzelten Growls, einem Ibiza-Break und einem ebenso hymnischen, unkonventionellen Refrain einen waschechten Hit, der sich nach einigen Durchläufen im Gehör festsetzt. Die Sockenpuppen im dazugehörigen Video sind überdies kultig.
An künftigen Singles mangelt es freilich nicht. Überhit des Albums ist „The Butterfly Defect“, das zu Beginn gar an In Extremo erinnert, danach Sash!-Flair und Latin-Elemente in die Strophe einarbeitet. Vor dem hymnischen Refrain und Agata Jarosz‘ starkem Gesang muss man den Hut ziehen – was für ein Burner. Auch das peitschende „Falling“, das derbe „Adrenalin“ (Volksmusik trifft auf Industrial), „Bad Betrayer“ und „Raise Me Up“ stehen ganz klar auf der Haben-Seite. Selbst vermeintlich schräge Ideen wie der EAV-Refrain und die Affenlaute in „Monkey Boy“ funktionieren. So sperrig und im Grunde absurd diese Mischung auch ist, sie prägt sich ein. Einzig der Zauberspruch in „Hocus Pocus“ wirkt dann doch eine Spur zu, pun intended, affig.
Aussetzen kann man an „Second Hand Wonderland“ jedoch herzlich wenig. Kontrust geben sich auf ihrem dritten Album noch eine Spur härter, ohne auf die entscheidenden eingängigen Momente zu vergessen. Schräge Ideen und einprägsame Melodien gehen hier Hand in Hand in scheinbar abstrusen Kombinationen, die jedoch (fast immer) funktionieren. Während die Guano Apes aus ihrem Comeback eine erschreckende Bauchlandung gemacht haben und die H-Blockx Ende Mai einmal mehr versuchen werden, an vergangene Großtaten heranzukommen, halten Kontrust die Crossover-Fahne hoch. In ihrem Feld sind die heimischen Helden unschlagbar, weitere (verdiente) Erfolge dürften nicht all zu lange auf sich warten lassen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 27.04.2012
Erhätlich über: Napalm Records (Edel Music Distribution)
Website: www.kontrust.info
Facebook: www.facebook.com/kontrust
Category: Local Bands, Magazin, Reviews
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