Dew-Scented – Icarus
Es ist wie verhext: Kaum wähnen sich Dew-Scented auf einer kleineren Erfolgswelle, holt sie die Realität wieder ein. Seit mittlerweile zwei Dekaden werfen die deutschen Thrash-Deather in regelmäßigen Abständen echte Blendgranaten, die prinzipiell mit dem Buchstaben I beginnen, ab, nur um von Lineup-Wechsel über Lineup-Wechsel überrollt werden. Nach dem mächtigen Metal Bade-Debüt „Invocation“ musste Frontmann Leif Jensen, gleichzeitig das einzige verbliebene Gründungsmitglied, die komplette Band auswechseln. Davon hört man jedoch herzlich wenig, denn das von Jörg Uken produzierte neunte Studioalbum „Icarus“ fügt sich nahtlos und souverän in den mächtigen Backkatalog der nördlichen Nachbarn, neuerdings zu vier Fünftel niederländisch, ein.
Nach einem kurzen Intro gehen Dew-Scented mit „Sworn To Obey“ sogleich in die Vollen, vielleicht sogar eine Spur härter als zuletzt. Der Fokus liegt zumindest anfangs auf Todesstahl, die Thrash-Anteile schwingen eher hintergründig mit. Leif Jensen keift sich die Seele aus dem Leib, das Tempo wird hochgehalten. „Thrown To The Lions“ knüpft nahtlos daran an, setzt auf einen rasiermesserscharfen Uffta-Uffta-Groove und stürzt sich in diverse Breaks und Soli. Nach dem relativ geradlinigen Auftakt drehen die Deutschen hier so richtig am Rad. Der ausgedehnte Mittelteil mit seinen zahlreichen Ecken und Kanten macht Laune, zählt zu den absoluten Highlights dieser Platte.
Auch der eine oder andere Gast hat es auf „Icarus“ geschafft. Während Dennis Schneider (Retaliation, Final Breath) zwei Leads beisteuert, ist in „Gleaming Like Silver“ Rob Urbinati, seines Zeichens Sänger der sträflich unterschätzten kanadischen Thrasher Sacrifice, zu hören. So überrascht es auch kaum, dass Dew-Scented für diesen fiesen, bissigen Wellenbrecher den Death Metal-Anteil ein wenig zurückschrauben; ganz im Gegenteil zum martialischen, old-schoolig klingenden „Reawakening“, das kein Geringerer als Dan Swanö eingekeift hat. Gemeinsam stürzt man sich in die schwedische Todesstahl-Hölle, getragen von peitschenden Drums und einem weiteren mächtigen, technisch überaus anspruchsvollen Solo.
Selbst der eine oder andere Durchhänger („By My Own Hand“ und „A Final Procession“ wollen nicht so recht in die Gänge kommen) stört nicht, denn ein Übersong wie der thrashige Rausschmeißer „Perpetuated“ korrigieren in Windeseile jedwede schiefe Optik. Unterm Strich bleiben 43 druckvolle, dynamische Minuten, die Dew-Scented einmal mehr in Topform zeigen. „Icarus“ kann locker mit „Invocation“ mithalten, pendelt geschickt zwischen den selbst gewählten metallischen Extremen und lässt vor allem zu keiner Zeit die Vermutung zu, dass es sich bei Dew-Scented 2012 um eine komplett neue Band handelt.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 27.07.2012
Erhätlich über: Metal Blade (Sony Music)
Website: www.dew-scented.net
Facebook: www.facebook.com/dewscented
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