The Hirsch Effekt – Holon : Anamnesis
Scheinbar aus dem Nichts tauchten The Hirsch Effekt vor zwei Jahren mit ihrem Debütalbum „Holon : Hiberno“ auf und spalteten Musikfans wie Kritiker in zwei Lager. Entweder schätzte man die krude, sperrige Mischung aus so ziemlich allen Metal-Genres, Jazz, Ambient und Streicher-Wänden, oder man versperrte sich der schwer zu greifenden Mischung. Zumindest für Gelegenheitshörer war die Platte ein rotes Tuch. Zwei Split-Singles (mit Adolar und Caleya) später, steht nun der Nachfolger „Holon : Anamnesis“ in den Läden; das Fundament in einem Ferienhaus in Magdeburg entstanden, aufgenommen mit über einem Dutzend Gastmusikern, Streichern, Bläsern und einem Kammerchor.
Dabei beginnt die Platte relativ ruhig und nachdenklich, symphonisch, von einem Hauch Bombast durchzogen. „Limerent“ setzt das erste Ausrufezeichen, auch wenn sich The Hirsch Effekt in geregelten Bahnen bewegen, geradezu mit Metal-Klischees spielen, Gesang und Growls mischen, Power-Chords neben Prog-Gekniedel stellen. Die Abfahrt des Protagonisten in die vermeintliche persönliche Hölle beginnt mit Verzögerung, dafür um so dramatischer. Großzügig dimensionierte Soundscapes und Atmosphäre drängen Stakkato-Riffs erst einmal in den Hintergrund, die Streicher nehmen nach und nach eine deutlich prominentere Rolle ein, Elijah lassen grüßen. Zwischenzeitlicher Höhepunkt: „Ligaphob“, die monumentale Explosion in die Tiefen des eigenen Seins mit Chor-Einsatz, Soundtrack-Atmosphäre und einer kurzen, wirren Explosion mit Power-Balladen-Sprengseln. „Mara“ zerstört zwölf Minuten lang, das Zwischenhoch klingt nach Mr. Bungle und Converge, bevor „Ira“ mit Doublebass-Attacken jede Hoffnung auf Versöhnung zerstört. Und das große Finale? Muss man gehört haben, nicht unbedingt wegen des semi-balladesken Aufbaus, sondern aufgrund eines unerwarteten Plot-Twists, der das Gehörte mal eben ins Gegenteil verkehrt. Noch Fragen?
Noch Antworten? Einfach waren The Hirsch Effekt sowieso noch nie zu greifen, „Holon : Anamnesis“ klingt nun wie der nächste logische Schritt gen eigenes Denkmal. Vielleicht klingt das zweite Album eine Spur strukturierter, vielleicht aber auch konzeptuell wilder, breiter, brachialer. Die Musik des Trios aus Hannover akkurat zu beschreiben, ist sowieso unmöglich. Math, Prog, Postcore, hymnischer Hardrock, symphonische Exkurse – all das und viel mehr werden 66 Minuten lang miteinander vermengt. Erschließen will sich die Mischung erst nach mehreren Durchläufen, Durchhaltevermögen ist gefragt, Sitzfleisch ebenso. „Holon : Anamnesis“ bockt, wirft den goldenen Reiter oftmals ab und hat doch so unwahrscheinlich viel zu bieten, wenn man es zu zähmen vermag. Es riecht verdächtig nach einem weiteren potentiellen Klassiker der eierlegenden Wollmilchsäue in Technicolor.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 31.08.2012
Erhätlich über: Midsummer Records (Cargo Records)
Website: www.thehirscheffekt.com
Facebook: www.facebook.com/thehirscheffekt
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