Voivod – Target Earth
Eigentlich dürfte es diese Platte gar nicht geben. Nach dem Tod von Gitarrist, Riff-Lieferant und Gründungsmitglied Dennis „Piggy“ D’Amour beschränkten sich die kanadischen Prog-Thrash-Visionäre Voivod auf Nachlassverwaltung, unterstützt durch Ex-Metallica-Bassist Jason Newsted und ehemalige Mitglieder der Band. „Katorz“ und „Infini“ basierten auf Piggy-Riffs und sollten gleichzeitig das Karriereende der Kanadier darstellen. Es kam anders: Das mittlerweile wiedervereinte Original-Lineup (Newsted wurde durch Blacky ersetzt) holte sich Daniel „Chewy“ Mongrain für diverse Liveshows an Bord. Man experimentierte mit ein paar neuen Sachen, aus denen sich – wider aller Erwartungen – tatsächlich eine neue Platte ergaben. Mit „Target Earth“, dem 13. Studioalbum, beschenken sich Voivod zu ihrem 30jährigen Bandjubiläum selbst.
Zweifel, ob dieser erneute Anlauf Sinn macht, wurden bereits mit dem vorab veröffentlichten „Mechanical Mind“ locker beiseite gewischt. Voivod stürzen sich in ein proggiges Labyinrth und zeigen gleichzeitig, wo Mastodon und Konsorten ihr Faible für die eierlegende Wollmilchsau haben. Selbst für einige wenige Harmonien ist Platz, während Snake seine Zeilen geradezu knurrt und ausspuckt. Gerade die wechselnden Tempi gehen an die Substanz, sprechen aber gleichzeitig für die Brillanz der Kanadier – was für ein Brett. Das ebenfalls bereits bekannte „Kluskap O’Kam“ – das Intro klingt nach dem Bettgeflüster eines Oompa Loompas – ist da schon ein anderes Kaliber, ein typischer Album-Track, hammerhart, stets auf dem Sprung, gezeichnet von Brüchen und atemberaubender Dynamik; heftig, nicht ganz ungefährlich.
Immerhin: Bereits der eröffnende Titeltrack „Target Earth“, ein kleiner Space-Metal-Ausflug mit marschierenden Drums, wischt jegliche Zweifel weg. Dass Voivod auch drei Dekaden nach Bandgründung noch für Überraschungen gut sind, beweist „Corps Étranger“, der erste französischsprachige Track, noch dazu ein fieser Thrasher mit mächtigem Moshpart. Wie wäre es mit „Resistance“, einem melodischen, beinahe schon eingängigen Song mit doomigem Abgang? Oder „Warchaic“, einer mörderischen Hymne zwischen martialischem Kriegsherren und der verklärt-erhabenen Verkündung einer neuen Welt durch einen Propheten? Grenzen setzen sich die Kanadier schon längst keine mehr.
Gerade das ist auch die Kunst: „Target Earth“ ist eine Platte, die nie langweilig wird, weil man an jeder Ecke etwas Neues entdecken kann. Die neun Songs strotzen nur so vor verqueren, nicht immer sofort greifbaren Details, geben sich sprunghaft und arbeiten mit wüsten Kniffen, Drehungen und Wendungen. Einzig der Rausschmeißer „Defiance“, ein 90 Sekunden langes Songfragment, das abbricht, kaum haben die Kanadier Fahrt aufgenommen, verwirrt. Ist das Resteverwertung? Nein, man kündigt nur bereits den Nachfolger an, ähnlich wie dies einst Venom taten. Voivod melden sich 2013 in Bestform zurück und knüpfen an alte Großtaten an. Die Veteranen geben sich spielfreudiger denn eh und je, dazu erweist sich Neuzugang Chewy als echte Bereicherung. So darf es gerne ewig weitergehen.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 18.01.2013
Erhätlich über: Century Media (EMI Music)
Website: www.voivod.com
Facebook: www.facebook.com/Voivod
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