Interview mit Erlend Hjelvik von Kvelertak
Langweilig wird es bei Kvelertak aktuell nicht. Nach dem Überraschungserfolg ihres eponymen Debütalbums spielten sie über 300 Shows weltweit und erspielten sich mit ihrem breit gefächerten Genre-Mix aus Rock, (extremem) Metal, Hardcore und penetrant eingängigen Momenten ein stetig größer werdendes Publikum. Für die Aufnahmen ihres zweiten Albums taten sich die Norweger einmal mehr mit Converge-Gitarrist Kurt Ballou zusammen. Bevor „Meir“ am 22. März erscheint und Kvelertak zwei Tage später die Arena Wien in Schutt und Asche legen, spricht Sänger Erlend Hjelvik über seine musikalischen Wurzeln und die abgedrehte Welt des norwegischen Sextetts.
Es wäre untertrieben zu behaupten, dass es für euch nach der Veröffentlichung eures mehr als unterhaltsamen Debütalbums durch die Decke ging. Hattet ihr auch nur ansatzweise mit diesem Erfolg gerechnet?
Ganz und gar nicht. Bjarte (Lund Rolland, Gitarrist) und ich gründeten die Band, als wir 2006 ein paar Freunde in unseren Keller einluden. Wir wollten uns nur die Zeit vertreiben, wir hatten keinerlei Pläne oder Ambition. Ja, man kann sagen, dass mich die Geschehnisse überrascht haben, aber ich hatte wohl eine Vermutung, als Kurt Ballou und John Baizley für unser Debütalbum an Bord kamen.
Rückblickend, wie zufrieden bist du mit eurem ersten Album? Gibt es Dinge daran, die du nachträglich ändern würdest?
Ich bin sehr zufrieden damit, wie es geworden ist und was es für uns bewirkt hat, zumal wir im Studio ziemlich unerfahren waren. Ich denke, wir haben unser Bestes gegeben und finde auf jeden Fall, dass es einen gewissen Charme hat und die Songs grundsolide sind. Es macht keinen Sinn zurückzublicken und zu sehen, was wir anders hätten machen können, aber nach all unseren Tour-Aktivitäten für diese Platte – über 300 Shows – haben wir uns stark verbessert. Daher bin ich viel zufriedener mit meiner Performance auf unserem neuen Album.
Euer Publikum ist mit Sicherheit größer geworden. Habt ihr angesichts dieser gesteigerter Aufmerksamkeit darüber nachgedacht, auf Englisch zu singen, um für ein internationales Publikum "zugänglicher" zu sein? Was würde dafür, was dagegen sprechen?
Nein, das Singen in norwegischer Sprache ist mittlerweile zu einem wichtigen Teil unseres Sounds geworden. Es gab nie Wünsche unserer Fans, dies zu ändern. Ich glaube, sie wären ziemlich enttäuscht und würden uns Sellouts nennen, begännen wir plötzlich auf Englisch zu singen (lacht).
Für einige Regionen seid ihr nun bei Roadrunner Records unter Vertrag. Wie ist es dazu gekommen und warum war dieser Schritt notwendig?
Es war ein natürlicher Schritt für uns. Sie haben uns verfolgt, seitdem wir 2011 auf dem „SXSW“ gespielt haben und wollten uns unbedingt unter Vertrag nehmen. Wir haben mit verschiedenen Plattenfirmen gesprochen, aber – wie bei allen anderen Dingen auch – bevorzugen wir es mit Leuten zu arbeiten, die auch mit uns arbeiten wollen, weswegen Roadrunner im Endeffekt die beste Wahl zu sein schien. Wir sind gespannt, was sie mit unserem neuen Album anstellen können, und es ist gut zu wissen, dass es überall verfügbar sein wird.
Wann war die Zeit gekommen, zurück ins Studio zu gehen?
Nachdem wir über 300 Shows für unser erstes Album gespielten hatten, realisierten wir, dass wir mehr Songs benötigten. Unsere größte Sorge war, genug Zeit für das Songwriting zur Verfügung zu haben, also baten wir unseren Booker, ein wenig langsamer zu machen. Die Songs entstanden im vergangenen Sommer.
Gibt es, egal ob für Musik oder für die Texte, einen Haupt-Songwriter, oder erarbeitet ihr alles gemeinsam?
Sowohl als auch. Bjarte ist unser Haupt-Songwriter, er schreibt mehr oder minder fertige Songs bei sich zu Hause, die er in den Proberaum mitbringt, wo alle Ideen beisteuern und für den Feinschliff sorgen. Ich kümmere mich um alle Texte.
Erneut habt ihr Kurt Ballou als Produzent verpflichten können. Was hat euch dazu bewogen, abermals mit ihm zu arbeiten?
Er hat ein gutes Ohr dafür, wie etwas klingen soll. Er sagt dir sofort, wenn etwas nicht stimmt und sorgt dafür, dass du mit keiner schlechten Aufnahme nach Hause gehst. Kurt holt das Beste aus uns heraus.
Euer neues Album trägt den Titel "Meir", zu Deutsch "mehr". Natürlich habt ihr mehr Musik (sowie mehr Elan und mehr Energie) am Start, aber was bedeutet der Titel für dich?
Das freut mich zu hören! Der Albumtitel bezieht sich auf den Sound und die Stimmung des Albums. Die eingängigen Momente sind eingängiger, die proggigen proggiger, die harten härter. Im Prinzip ist es mehr von allem, ergo der Albumtitel.
Im Video zu "Bruane Brenn" werdet ihr von Kids gespielt, die verdammt hart rocken. Warst du in diesem Alter ein Rocker oder Metalhead? Was sind deine musikalischen Wurzeln und wie bist du zu Metal gekommen?
In diesem Alter waren The Prodigy meine Lieblingsgruppe, glaube ich. Zu Metal bin ich mit 14 oder 15 gekommen. Anfangs hörte ich Nu Metal, danach kam ich über kitschige Black Metal-Bands wie Cradle Of Filth und Dimmu Borgir zum Ende meiner Teenager-Zeit zu richtigem Black Metal, beispielsweise Darkthrone, Carpathian Forest, Mayhem und Gorgoroth. In den letzten Jahren habe ich mich anderen Genres wie Doom, Classic Rock, Prog, 80s Metal, Stoner etc. gewidmet.
Der letzte Song eures neuen Albums heißt schlicht und ergreifend "Kvelertak". Geht es in diesem Song um euch als Band oder handelt er vom norwegischen Wort für "Würgegriff"?
Es ist einfach nur eine schamlose Bandhymne über uns und unser Leben auf Tour. Es wird künftig unser Live-Rausschmeißer sein.
Wo wir gerade bei den Texten sein: Mit welchen Themen befasst sich diese Platte? Hängen die Texte auf "Meir" in irgendeiner Form zusammen?
Im Gegensatz zu unserem ersten Album habe ich mich dieses Mal von nordischer Mythologie fern gehalten. Die Texte behandeln eine Vielzahl an Themen. Um dir ein paar Beispiele zu geben: es gibt Songs über das Trepanieren (das Aufbohren eines Schädels), das Durchführen einer Zeremonie zur Beschwörung des großen Eulen-Geistes, einen Wanderer, der einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen hat und bis zum Ende aller Zeiten auf Erden wandern muss, sowie den Antichristen, der aus einem schwarzen Loch auf die Erde kommt und alles zerstört. Ich singe gerne über Themen, die ich hammer finde.
Zu den interessantesten Aspekten an Kvelertak zählt euer Sound, der so unheimlich breit gefächert ist, der viel Rock, (extremen) Metal, Hardcore und unverschämt eingängige Momente beinhaltet. Es ist wohl eine alte, erschöpfend behandelte Frage, aber dennoch: Was macht den Sound von Kvelertak aus?
Im Prinzip hören wir Bands aus all jenen Genres, die du gerade erwähnt hast. Das gilt insbesondere für unseren Songwriter Bjarte, er ist wie eine Mediathek auf zwei Beinen. Es ist schwer zu sagen, welche Bands ihn beeinflussen. So gibt es beispielsweise auf unserem ersten Album eine versteckte Beach Boys-Referenz, die ich selbst unmöglich ausmachen kann. Ich glaube, wir klauen das Beste von all diesen Bands, die wir mögen, und werfen es in den Kvelertak-Mixer.
Zwei Tage nach der Veröffentlichung von "Meir", am 24. März, tretet ihr in Wien auf. Was kann jemand, der euch noch nie live gesehen hat, von einer Kvelertak-Show erwarten?
Verstärker, Gitarren, ein Schlagzeug… (lacht) nur ein Scherz. Erwartet sechs verschwitzte Typen auf der Bühne und massig Energie, Adrenalin und Testosteron. Wir freuen uns schon auf Wien, es ist eine unserer Lieblings-Städte, und das sage ich nicht bloß, weil ich höflich sein will.
Habt ihr, nachdem das Video eurer Straßen-Performance in Singapur um die Welt ging, mit dem Gedanken einer Straßen-Tour gespielt?
(lacht) Nein, nicht bevor du es vorgeschlagen hast. Das hört sich auf jeden Fall spaßig an, aber wir haben nur das Ende unseres Sets auf der Straße gespielt. Wir traten auf unserem Heimweg vom „Soundwave“ in Australien in einem kleinen Club vor ca. 100 Leuten auf, das Publikum war wild und es wurde eine unvergessliche Show.
Wie sehen eure Pläne für die kommenden Monate aus?
Momentan proben wir für unsere Europatour, die Anfang März beginnt. Am 22. März erscheint unser Album, der Rest des Jahres werden wir wohl auf Tour verbringen.
Was macht Kvelertak einzigartig?
Ich glaube, dass wir etwas Neues und Frisches an uns haben. Natürlich gab es vor uns Bands, die verschiedene Stilrichtungen miteinander vermischt haben, aber ich glaube, bei uns geschieht das sauber und ehrlich. Wir sind heavy, ohne auf die nötigen Hooks zu vergessen.
Die letzten Worte gehören dir:
Kommt zu unseren Shows und kauft, stehlt oder ladet euch unser neues Album herunter, wenn es erscheint! Heil dem großen Eulen-Satan (und bringt Gras mit)!
Vielen Dank für deine Zeit. Im Namen von Demonic-Nights wünsche ich euch alles Gute für "Meir". Man sieht sich auf Tour.
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Category: Interviews, Magazin
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