Nero Di Marte – Nero Di Marte
Das Vorurteil, Metal-Italien wäre bloß für Fans klassischer Klänge ein El Dorado, wird Schritt für Schritt widerlegt. Umgekehrt könnte man sagen, Nero Di Marte klingen alles andere als typisch italienisch. 2007 als Murder Therapy gegründet, veröffentlichten sie zwei Jahre später ihr Debütalbum und kurz darauf eine weitere EP. Im Laufe der Aufnahmen zu „Nero Di Marte“ erkannte das Quartett aus Bologna, dass der erdachte Albumtitel auch als Bandname passen würde. Gesagt, getan: Unter neuem Namen und mit der Erfahrung von Support-Gigs für so illustre Kollegen wie The Ocean, Intronaut und Cynic kamen die Italiener an einen Deal bei Prosthetic Records. Besagter eponymer Nackenschlag entpuppt sich als heißer Kandidat für das Newcomer-Album des Jahres.
Musikalisch haben Nero Di Marte die Finger am Puls des Zeitgeists. Ihr Sound ist progressiv, technisch anspruchsvoll und herausfordernd, knüppelhart und modern; mit anderen Worten: Djent, Prog, Tech und Melodic Death. Einer besonderen Rolle kommt dabei den Vocals zu. Sean Worrell hält wenig von gleichförmigen Growls und setzt entsprechend selten auf selbige, er mischt aggressiven Gesang mit schmerzverzerrten Schreien und und wütendem Röhren. „Convergence“ ist so etwas wie der perfekte Opener, beginnt mit einem verhaltenen Intro und drängt schnell in media res. Die Stimmung ist bedrohlich, das Auftreten souverän und scheinbar spontan. Worrell thront über einem schwer greifbaren Arrangement, mal rasend schnell mit Death- und Grind-Einschlägen, mal melodisch erhaben, beinahe schwelgerisch. Sechseinhalb Minuten dauert dieser Auftakt, jagt sich und den Hörer durch ein Labyrinth für Hammer, Amboss und Steigbügel.
In dieser Gangart geht es locker flockig weiter: „Nero Di Marte“ ist so etwas wie der Höhepunkt mit weit über zwölf Minuten Spielzeit und einer Fülle an Ideen, die namentlich nicht genannte Kollegen nicht einmal auf Albumlänge unterbringen könnten. Klassische Meshuggah-Riffs drängen sich in symptomatisch technisches Gekniedel. Es sind jedoch insbesondere die instrumentalen Ambient-Parts; kurzes Innehalten, geschickter Spannungsauf- und -abbau – ein Stilmittel, das die Italiener immer wieder gerne und mit feinster Wirkung einsetzen. Gerade durch diese packende Dynamik wird „Anoptikon“ zu einem weiteren Highlight. Die plötzliche Zäsur, das unvermittelte Abdriften ins klangliche Nirwana wirkt wie das sprichwörtliche Auge im Sturm, ein kurzer Hoffnungsschimmer, umgeben von einem wahren Malstrom der technisch-progressiven Emotionen.
Im Prinzip kann man jeden einzelnen Track mit Superlativen überhäufen, man wird dessen nicht müde. Nero Di Marte kommen scheinbar aus dem Nichts und schlagen mit ihrem zweiten Album (dem Debüt unter neuem Namen) quasi in der Prog-Tech-Weltelite auf. Vergleiche mit TesseracT, Periphery und Konsorten drängen sich auf, auch wenn die Italiener aus dem tendenziell engen Djent-Feld längst ausgebrochen sind. Freilich sind die Ambient-Passagen Geschmackssache, vielleicht sind sie auch die einzige Mini-Schwachstelle, wenn sie mal die eine oder andere Sekunde zu lang sind. Man beschwert sich allerdings auf hohem Niveau. „Nero Di Marte“ ist ein echter Leckerbissen; nicht mehr und erst recht nicht weniger.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 22.03.2013
Erhätlich über: Prosthetic Records (Sony Music)
Website: www.nerodimarte.com
Facebook: www.facebook.com/nerodimarte
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