The Dillinger Escape Plan – One Of Us Is The Killer
Eigentlich, möchte man meinen, müssten The Dillinger Escape Plan sorglos die Clubs dieses Erdballs vernichten können. Ihr 2010 erschienenes Album „Option Paralysis“ – die erste Platte über das eigene Label Party Smasher Inc. – schaffte es in den USA in die Top 100, die Mischung aus chaotischer Math-Action und breit gefächerten, beinahe schon moderaten Rock-Anleihen sorgte für überragendes Kritiker- und Fan-Feedback. Im Vorfeld der Aufnahmen zur mittlerweile fünften Langrille sprachen Sänger Greg Puciato und Gitarrist Ben Weinman kein Wort miteinander. Man verbrachte zwei zusätzliche Monate im Studio, raufte sich wieder zusammen und präsentiert in Form von „One Of Us Is The Killer“ – eine Anspielung auf die schwere Geburt dieses Albums – das bislang ‚erwachsenste‘ Album, wie es Produzent Steve Evetts so treffend auf den Punkt gebracht hat.
Erwachsen heißt im Fall von The Dillinger Escape Plan wohl, dass man nicht ununterbrochen auf die Tube drückt, sondern die Songs gelegentlich atmen lässt. Was sich schon vor einigen Jahren mit „Unretrofied“ angedeutet hat, wurde perfektioniert. „Paranoia Shields“ spielt ein wenig auf die gemeinsame EP mit Mike Patton an, wenn Puciato flüstert und röhrt, brachiale Riffs und hektische Rhythmuswechsel neben ausladend arrangierte Melodiebögen, einen unverschämt eingängigen Refrain und Vogelgezwitscher (!) stellt. Beinahe doomig mutet hingegen „Crossburner“ an. Schwerfällig, beklemmend düster eröffnen The Dillinger Escape Plan, lassen ihren Frontmann Feuer speien, wenn auch mit bestenfalls einem Viertel des üblichen Tempos. Nachdenkliche, smoothe Klänge und ein wenig Geisterbahn-Atmosphäre agieren als willkommene Pausen, bevor der Track zum großen Finale hin gleich mehrfach explodiert.
Wer es dennoch deftiger und chaotischer mag, wird natürlich auch bedient. Der vorab als Download-Single veröffentlichte Opener „Prancer“ schlägt ein gewohnt hohes Tempo an, wechselt den Rhythmus wie andere ihre Autoversicherung und zelebriert Selbstzerstörung mit wachsender Begeisterung. Gelegentliche Momente der Ruhe schleichen sich ein, haben mit Verschnaufpausen jedoch wenig gemein. Im Gegenteil: Gerade anhand von „Hero Of The Soviet Union“ demonstiert das Quintett, wie man gekonnt auf die nächste brachiale Attacke vorbereitet. Dass man sich dabei nie verhaspelt und dennoch Qualität über Brechstange und Komplexität der Komplexität willen stellt, spricht für die Klasse der Mannen aus Morris Plains, New Jersey.
So schwer die Geburt dieser Platte auch gewesen sein muss, jede Sekunde an zusätzlicher Wartezeit hat sich hörbar gelohnt. „One Of Us Is The Killer“ macht genau da weiter, wo „Option Paralysis“ vor drei Jahren aufgehört hat. Natürlich setzen The Dillinger Escape Plan weiterhin auf kontrolliertes Math-Chaos, bauen zwischendurch jedoch vermehrt ruhige, ungewohnt verhaltene Momente ein, die dem Spannungsauf- und -abbau zu Gute kommen. Gerade die zurückgenommenen, verhältnismäßig introvertierten Tracks funktionieren besonders gut. Die US-Amerikaner haben ihr Spektrum erweitert und beweisen damit, dass es immer noch eine Spur besser, stärker, durchdringender geht. Darauf ein Prost und einen Rechenschieber.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 17.05.2013
Erhätlich über: Party Smasher Inc. / BMG Rights Management (Rough Trade Distribution)
Website: www.dillingerescapeplan.org
Facebook: www.facebook.com/dillingerescapeplan
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