Hamferð – Evst
Die Färöer Inseln sind metallisch ein kaum erschlossenes Land. Týr kennt man, von The Apocryphal Order hat man vielleicht einmal gehört und auch der Name Hamferð sollte nicht ganz fremd sein. Das 2008 gegründete Sextett steht für melodischen, schmerzverzerrten Doom, der ein wenig an Swallow The Sun erinnert. Vergangenes Jahr gewann man sogar das Wacken Metal Battle, entschied sich jedoch gegen den angebotenen Vertrag von Nuclear Blast und blieb beim heimatlichen Label Tutl, wo man alle kreativen Freiheiten hat. Das Debütalbum „Evst“ demonstriert eindrucksvoll, dass diese Entscheidung eine gute war.
Hamferð tragen ihre poetischen Texte ausschließlich in ihrer Landessprache vor, daher ein kleiner Abriss über den Inhalt dieser Platte: Vater und Sohn werden bei einer Bergwanderung von einem Sturm überrascht. Der Sohn stürzt ab, sein Vater sucht nach ihm, wird dabei vom Volk der Huldur unterstützt und aufgenommen. Nach mehreren Jahren verliert er den Verstand und erwürgt ein Huldur-Ebenbild seiner Frau, die ihn verlassen hatte. Als der Mann aus seinen Wahnvorstellungen erwacht, springt er, von Schuld und Trauer geplagt, von besagtem Berg ins Tal, um wieder mit seinen Liebsten vereint zu sein.
Dieser Schmerz manifestiert sich zunächst in der einzigartigen Stimme Jón Aldarás, der ein breites Spektrum zwischen infernalen, durch Mark und Bein gehenden Growls sowie klagendem, klaren Gesang perfekt beherrscht. Getragen wird er von einer Band, die sich vor allem für die melodisch-melancholischen Aspekte der alten Doom-Schule begeistern kann – mal ein wenig härter, stets den Tränen nahe. Der Titeltrack „Evst“ eröffnet die Platte mit abgehangenen, verzerrten Riffs, getragen von monumentalen Drums und einem plötzlichen Wechsel hin zu Growls, die nach Wut, nach tiefer Verzweiflung klingen. Aldará scheint die Aggressionen des Protagonisten mit eben jenen kehligen Metal-Growls zum Ausdruck zu bringen, während der Gesang Trauer und Weltschmerz definiert.
Ein echtes Highlight dieser Platte herauszupicken, fällt schwer, dafür ist diese Platte zu kompakt, zu abwechslungsreich und als Einheit zu stark. Selbst das akustische, weitestgehend instrumentale Zwischenspiel „At jarða tey elskaðu“ funktioniert, weil dieses Auge des Sturms, dieses Herumirren und Finden konzeptuell wie musikalisch brillant gelöst wird, bis zur finalen Katastrophe „Ytst“ immer weiter aufgebauscht, aufgeblasen und intensiviert wird. Und irgendwann springt er…
Man könnte meinen, Hamferð wären verrückt, einen amtlichen Deal mit einem Branchenriesen abzulehnen, doch die Qualität ihres Debütalbums gibt ihnen Recht. Für „Evst“ haben sich die Färinger jegliche Freiheit, die ihnen ihr heimatliches Label gewährt, genommen, und ein wahnwitziges Doom-Spektakel aufgenommen, das gewiss nicht nach einem Erstling klingt. Es ist der spannende, durchaus ungewöhnliche Mix aus Sprache, Musik, Gesangsstilen und Geschichte, die aus dieser Platte etwas ganz Besonderes macht. „Sigur Rós des Metal“ hin oder her – das hier ist große, große Kunst.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 15.11.2013
Erhätlich über: Tutl (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/Hamferd
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