Cortez – Phoebus
Ganze acht Jahre ist es mittlerweile her, dass sich der Himmel nahe Genf zum ersten und vorerst letzten Mal für längere Zeit verfinsterte. Die 2001 gegründeten Schweizer Cortez veröffentlichten ihr Debütalbum „Initial“ und gingen auf endlose Tourneen mit Bands wie Gojira, The Dillinger Escape Plan, Isis und The Ocean – durch die Bank, neben Converge, Parameter, die den Sound des Quartetts bestimmen. Abgesehen von einem Split-Release im vergangenen Jahr herrschte lange Zeit Funkstille, bis das nun neu aufgelegte zweite Album „Phoebus“ endlich erscheint.
Das Warten hat sich mit Sicherheit gelohnt, wie man bereits am Opener „Temps mort“ hört. Die Besonderheit daran: Es ist kein Bass zu hören, denn das Trio (plus Live-Producer, der wohl auch zum Lineup zählt) setzt sich aus einem Gitarristen, einem Schlagzeuger und einem Sänger zusammen. Diese erweiterte White Stripes-Variante lässt angesichts der prominenten Low-Ends den Tieftöner jedoch nicht vermissen, verleiht dem Material dadurch eine eigenwillige Dynamik, durch welche die Gitarren ein wenig schmutzig und verstohlen, geradezu verboten klingen. Wenn nun Frontmann JR nach zwischenzeitlichem, scheinbar ziellosen Schrammeln wie ein Derwisch über das Arrangement fegt, muss man sich festhalten. Math-Zuckereien und Hardcore-Spielereien treffen auf tiefste Schwärze.
Eine der Stärken der Schweizer ist das Aufbereiten der langsameren Passagen. Wo andere Bands abrupte Breaks setzen und sich ins hektische Chaos stürzen, reduzieren Cortez das Tempo und die Instrumentierung langsam aber beständig, wodurch eine höllische Abfahrt wie im Sludge-Rocker „Transhumance“ entsteht – verdammt heavy, verdammt spannend. Es ist dies ein Stilmittel, das immer wieder gewinnbringend eingesetzt wird und das Geschehene intensivert. Selbst vereinzelt eingesetzte, hypnotisierende Melodien – siehe und höre „Un lendemain sans chaine…“ – verfehlen ihre Wirkung nicht. Einzig in „Idylle“ verlieren sich die Schweizer ein wenig in ihrem lang gezogenen Breakdown, berappeln sich aber schnell wieder mit martialischen Breitseiten, die das überlange Noise-Finale „Borrelia“ gewissermaßen vorweg nehmen.
Mit 50 Minuten Spielzeit bewegt sich „Phoebus“ an den Grenzen des Machbaren, was in gewisser Weise konsequent ist und zur Musik passt. Cortez vermengen Folter mit Faszination, üben auf ihrem zweiten Album konstant Druck aus mit einem widerspenstigen Sound, der sich in Reduktion und Chaos übt, ohne die Übersicht zu verlieren. Gerade die verschleppten Breakdowns setzen die Schweizer vom Rest des Feldes ab, die rasenden Math-Wände und wütenden Shouts von JR fegen wie ein Orkan über die Gehörknöchelchen hinweg. Die Wartezeit war viel zu lang, das Ergebnis überstrahlt diese Dürreperiode dafür – ein kleines Meisterwerk der besonders psychotischen Sorte.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 15.11.2013
Erhätlich über: Get A Life! Records (New Music Distribution)
Website: www.cortez-band.com
Facebook: www.facebook.com/cortezrocks
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