It’s The Lipstick On Your Teeth – Skintrade

| 19. Mai 2017 | 0 Comments
It's The Lipstick On Your Teeth

(c) Jörg Varga

Erst seit einigen wenigen Jahren unterwegs, wirbeln It’s The Lipstick On Your Teeth nicht nur in der Hauptstadt ordentlich Staub auf. Die Wiener verschreiben sich einer komplexen, lauten Mischung aus Noise, Hardcore und schwer greifbarer, düsterer Musik. Nach mehreren Kleinformaten erscheint nun ihr erstes Album. Mit den teils durchaus eingängigen Momenten ihres Frühwerks – siehe und höre „Summer Suicide“ – hat „Skintrade“ jedoch herzlich wenig gemeinsam.

Wütende, fiese Stoßwellen erschüttern post-urbane Verzweiflung. Als Querverweise werden unter anderem Atari Teenage Riot und The Dillinger Escape Plan – wohlgemerkt ihr überraschend elektronisch behaftetes letztes Album – mitgegeben. Klingt komisch, funktioniert aber, sofern Scheuklappen zu Staubfängern werden dürfen. Der allmächtige Genre-Spagat ist bei den Lipsticks Programm. Das verriet bereits der vorab veröffentlichte Titelsong. „Skintrade“ packt schroffe Störsignale neben entrückte Drums, dicke Tieftöner und den überraschend melodischen, charmanten Gesang von Frontfrau Michelle. Wenn hart auf hart kommt, kann sie auch schon mal kratzen und das instrumentale Konvolut noch weiter intensivieren.

Was sich abstrakt liest, fasst den kuriosen Sound der Wiener letztlich zumindest einigermaßen zusammen, gleichzeitig aber auch überhaupt nicht. Hits? Werden überbewertet, und doch ragt der eine oder andere Track zumindest ein wenig heraus. „Holofernes“ zuckt und beißt, nur um urplötzlich schräge Handclaps auszupacken. Ein „Jaded“ mutiert stellenweise zum Drum’n’Bass- und Breakbeat-Albtraum, nur um zwischendurch brachiale, bis zur Unkenntlichkeit entstellte Gitarren durch den Äther zu jagen. Und „Vogue“? Der mit Abstand eingängigste Song dieses Einstands überrascht mit einem Hauch von Goth-Pop und fleischgewordener Selbstaufgabe.

In einer knappen halben Stunde rattern It’s The Lipstick On Your Teeth durch ihr erstes Album. Mehr Musik hätte es aber auch nicht sein müssen, denn „Skintrade“ verstört und fordert immer wieder aufs Neue, wohlgemerkt im positivsten Sinn. Der konstante Bruch mit Hörgewohnheiten, stetig wachsender Einsatz von Elektronik mit durchaus avantgardistischen Ansätzen und der herrliche Kontrast aus charmanten Vocals und abstoßenden Arrangements machen Lust auf mehr. Und weniger zugleich. Eines der attraktivsten Paradoxe des Jahres.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 19.05.2017
Erhältlich über: Seayou Records (Rough Trade)

Website: www.lpstck.cc
Facebook: www.facebook.com/lpstck.cc

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Category: Local Bands, Magazin, Reviews

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