Amplifier – Trippin‘ With Dr. Faustus
Kreativer Stillstand? Für Amplifier ein Ding der Unmöglichkeit. Seit 2004 erfindet sich das Quartett um Querdenker Sel Balamir von Album zu Album neu. Zuletzt, auf „Mystoria“ bemühte man sich um vergleichsweise direkte, stellenweise sogar radiofreundliche Töne. Von 2014 bis 2016 wurde schließlich an einem Nachfolger gearbeitet, dessen Wurzeln noch weiter zurückreichen. „Trippin‘ With Dr. Faustus“ interpretiert das Drama um Mensch und Teufel unter kontemporären Parametern neu.
Die Idee zu dieser Platte entstand bereits 2011, als der Song „Silvio“ für „The Octopus“ aufgenommen wurde und zunächst im Archiv landete. Erst jetzt münzen die Briten jene unter anderem von Goethe meisterhaft inszenierte Erzählung auf den mehr als streitbaren Silvio Berlusconi um. Flirrender Prog Rock trifft auf durchaus direkte Töne und zartes Pop-Appeal mit Porcupine Tree-Schlagseite. Auch sechs Jahre nach seiner Entstehung wirkt der Song nach wie vor relevant, zumal die damit verbundene Neuinterpretation des Faust-Mythos eine menschgewordene Gestalt erhält.
Dass Amplifier an dieser tollkühnen Idee nicht scheitern, ist ihrem grandiosen Songwriting zu verdanken. Ein „Freakzone“ löst sich in gut acht Minuten wiederholt von sämtlichen irdischen Zwängen und hebt ab. Selbst dezente Space-Rock-Ansätze finden Einzug in dieses erzählerische Meisterwerk. Das folgende „Kosmos (Grooves Of Triumph)“ gibt sich sogar dezenten Kraut- und Fuzz-Jams hin, und zählt zu den wildesten, komplexesten Tracks dieser Platte. Selbst das akustische Lagerfeuer-Zwischenspiel „Anubis“ funktioniert. Eingerahmt durch das dicke und zugleich filigrane „Rainbow Machine“ sowie das ausufernde, herrlich laute „Old Blue Eyes“, entsteht ein kleines Opus Magnus.
Schwächen gibt es allenfalls in der B-Note, wenn sich Amplifier einmal zu oft in Space- und sogar verhaltenen Psychedelic-Gefilden verlieren. Manchmal meint es die Jam-Lust doch eine Spur zu gut mit Balamir und Konsorten, und doch finden die Briten immer wieder rechtzeitig zurück in die Spur. So gestaltet sich „Trippin‘ With Dr. Faustus“ zugleich sympathisch eingängig, ausladend und komplex. Mit guten Kopfhörern bewaffnet und dem Finger fest auf der Repeat-Taste verankert, stellt sich sogleich feinster musikalischer Hochgenuss an. Und schon jetzt darf man sich wohl sicher sein, dass die nächste Amplifier-Platte erneut ganz anders klingen wird.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 14.07.2017
Erhältlich über: Rockosmos (AL!VE)
Website: www.amplifierband.com
Facebook: www.facebook.com/amplifierband
Letzte Kommentare