Lost In Kiev – Persona
Als sich Lost In Kiev vor knapp zweieinhalb Jahren zuletzt meldeten, hatten sie mit gewissen musikalischen Schwierigkeiten zu kämpfen. „Nuit Noire“ war eine interessante, wohl aber auch in sich zerrissene Platte geworden. Post Rock und Synth-Einflüssen mussten erst zueinanderfinden, das Quartett blieb unter seinen Möglichkeiten. Anstatt sich von diesem kleinen Rückschlag beeindrucken zu lassen, machten die Pariser weiter und präsentieren nun „Persona“, ihr Husarenstück.
Inspiration für dieses Album waren Beziehungen, vor allem jene zwischen Mensch und Maschine. „Lifelooper®“ nimmt die Bestrebungen des ehemaligen Google-Ingenieurs Ray Kurzweil, seinem Vater ein zweites Leben als AI zu schenken, als Thema für einen der schwierigsten Songs dieser Platte. Dabei gestalten sich diese vier Minuten eigentlich recht eingängig, auch wenn sie mit Sicherheit die Spreu vom Weizen trennen werden. Der anfängliche Post-Rock-Sprint drängt in media res, doch nach und nach halten synthetische Muster Einzug. Der laute, direkte Beat in der zweiten Hälfte tastet sich ins Technoide vor und wird zur Grenzerfahrung.
Natürlich spielen Lost In Kiev mit den Möglichkeiten dieses Genres und schaffen es immer besser, die verschiedenen musikalischen Welten zu vereinen. Ein „Thumos“ ist laut und aufbrausend, gleichzeitig von außerordentlicher Schönheit, und reißt selbst in den sperrigen Momenten mit. Der späte Ausbruch von „The Incomplete“ geht unter die Haut und „Persona“ nimmt stellenweise fast schon metallische Züge an. Ihren besten Song haben sich die Franzosen allerdings für den Schluss aufbehalten. In „Mecasocialis“ schwimmen zwar immer wieder Vocal-Fetzen und ein wenig Electronica an die Oberfläche, tatsächlich geht es allerdings um zwingenden, treibenden Post Rock, der an die besten Zeiten von Collapse Under The Empire erinnert.
Eine gewaltige Leistungsexplosion später landen Lost In Kiev mit „Persona“ nicht nur den erhofften Befreiungsschlag, sondern schaffen zugleich ein echtes Überalbum, das in dieser Sonderklasse nicht zu erwarten war. Sämtliche musikalischen Ideen harmonieren perfekt, das semi-mechanische Konzept äußert sich hervorragend in den einzelnen Tracks und der gekonnte Brückenschlag zwischen vergleichsweise klassischer Genre-Schule und post-modernen, jüngeren Einflüssen verleitet zum Staunen. Hier ist das zumindest bis dato beste Post-Rock-Album des Jahres.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 26.04.2019
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/lostinkiev
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