Heaven Shall Burn – Of Truth And Sacrifice
Nach der ausladenden Tour zu „Wanderer“ machten sich Heaven Shall Burn – zumindest oberflächlich – für knapp zwei Jahre rar. Eigentlich wollte man sich eine Pause genehmigen, und doch wurde die Band immer wieder zum Thema. Letztlich schrieb das Quintett in aller Ruhe neue Songs, arrangierte diese und spielte sie mit allerlei Gästen (Caliban, Lord Of The Lost, Nasty) sowie orchestraler Unterstützung ein. In dieser entspannten Atmosphäre entstand ein Doppelalbum: „Of Truth And Sacrifice“ vereint, 20 Jahre nach dem Release des Debüts „Asunder“, sämtliche Qualitäten der Thüringer von der wuchtigen Death-Metal-Maschine bis zu durchaus verblüffenden Experimenten.
Wer auf die klassischen Heaven Shall Burn steht, ist vor allem auf dem ersten Rundling „Of Truth“ zuhause. „Thoughts And Prayers“ springt frontal aus den Boxen und legt vertraute Wucht an den Tag, mit verspielter und doch klaustrophober Melodik gepaart. Worum es in diesem Track geht, kann man sich denken, wiewohl das Quintett selbstverständlich seine überaus wichtigen politischen und gesellschaftlichen Themen in den Mittelpunkt rückt. „My Heart And The Ocean“ bewegt sich in ähnlichen Gefilden und schwingt sich zur gewaltigen Hymne auf. Zwischen wuchtigem Gestampfe, plötzlichen Tempoverschärfungen und ganz feiner Klinge hört man Heaven Shall Burn in vertrauter Bestform.
Erste Experimente gibt es bereits auf „Of Truth“ zu hören, darunter die Klangcollage „Expatriate“, dessen Ansatz an ähnlich gelagerte Epen der finalen October File-Platte erinnert. Beklemmende Stimmung zwischen Spoken Word, Piano-Einsatz und instrumentaler Wucht – nichts für schwache Gemüter. Wer hingegen bei den urtypischen Heaven Shall Burn bleiben möchte, lässt sich die Intensität von „Terminate The Unconcern“ um die Nüstern wehen, schwelgt im melodischen Powerhouse „Protector“ oder genießt den verstohlen in Richtung Bolt Thrower schielenden Dampfhammer „Eradicate“.
Dann setzt „Of Sacrifice“, die zweite CD, mit „Children Of A Lesser God“ ein, und Verwunderung macht sich breit. Was wie ein typischer Heaven Shall Burn-Track beginnt, verliert nach und nach an Fahrt, spielt mit ausladenden Klangflächen und großer Dramatik. Das folgende „La Résistance“ nimmt sich sogar Electro- und Industrial-Klänge zur Brust, ein wenig mit Pain und Samael flirtend. Kaum erholt, erhöht „Truther“ die Schlagzahl in manische Sphären und wirft ein wenig Deathcore in den Ring, während „The Sorrows Of Victory“ ordentlich Gothic Metal mitnimmt und „Critical Mass“, im Original von Nuclear Assault, selbstverständlich mit Thrash anbandelt. Das emotional aufgeladene, weitestgehend stille Epos „Weakness Leaving My Heart“ verwundert zum Abschluss abermals.
Ja, das waren tatsächlich Heaven Shall Burn auf dieser zweiten CD, in ihrer musikalischen DNA zwar erkennbar, und doch komplett anders. Wo andere Acts leicht bekömmliche Häppchen servieren, packen die Thüringer 97 anspruchsvolle Minuten der etwas anderen Art aus. Und, siehe da, es funktioniert. Natürlich ist der erste Teil dieses Doppelalbums ob seiner vertrauten Wucht über sämtliche Zweifel erhaben und setzt die Hochform der vergangenen Platten mit Leichtigkeit fort, doch sorgt der zweite Abschnitt für offene Münder. Zwei Jahrzehnte nach dem Einstand führen Heaven Shall Burn sämtliche musikalische Fäden ihrer Karriere zusammen und spielen selbst in vermeintlich ungewöhnlichen Gefilden ganz vorne mit. „Of Truth And Sacrifice“ ist ganz großes Kino und festigt den Ruf des Quintetts als metallische Weltmacht einmal mehr.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 20.03.2020
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Facebook: www.facebook.com/officialheavenshallburn
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