The Alligator Wine – Demons Of The Mind
Es gibt schier endlose Möglichkeiten, sich an Gevatter Rock heranzutasten. Aber so ganz ohne Gitarren? Was The Alligator Wine aus dem Schwarzwald abziehen, ist eine absolute Rarität. Das deutsche Duo verzichtet auf Gitarre und Bass, stattdessen ertönen Hammond-Orgel, Moog und ein wenig Synthesizer zu Gesang, Drums und Percussion. Der im besten Sinne bizarre Mix süffiger Vintage-Klänge mit gelegentlichen Noir- und Psychedelic-Einschüben funktionierte bereits prima auf der EP „The Flying Carousel“, nun steht das erste Album „Demons Of The Mind“ bereit.
Während man noch den Kopf über diese mehr als ungewöhnliche Herangehensweise schüttelt, sind The Alligator Wine bereits mehrere Schritte weiter. „Shotgun“ eröffnet die Platte mit einem federleichten Intro und einem Hauch von Vocals. Nach einer knappen Minute dreht das Duo am Rad und wirft in angenehm angepunkter 70s-Hard-Rock-Manier um sich. Das erinnert entfernt an die Labelkollegen The Picturebooks, zudem fehlen die Saiteninstrumente zu keiner Zeit. „Mamãe“ ist ähnlich fieberhaft unterwegs, wobei sich Thomas Teufel an Drums und Percussion so richtig austobt. Wilde Fills und verspielte Einschübe unterhalten.
Sänger Rob Vitacca blüht vor allem in den längeren Tracks auf, die auf Orgel- und Synthi-Klänge setzen. In „Ten Million Slaves“ hört man beispielsweise die Anfänge als experimentelles Krautrock-Duo, denn die überaus treibende, dann überschäumende zweite Hälfte ordnet sich ebenso prima in solche Gefilde ein wie das düstere, an einen Noir-Soundtrack erinnernde „Lorane“. Die bleierne Schwere kommt gut, der leicht psychedelische Ansatz beißt sich fest – und schon ist „Crocodile Inn“ mit nebulösen Gesten gelandet oder spielt das bestens bekannte „The Flying Carousel“ mit vorhersehbaren Retro-Rock-Klängen.
„Demons Of The Mind“ steckt mit einem Bein mehr als knietief im Vintage-Sumpf und wirft laufend große, packende Tracks ab – schroff, kurzweilig, lebhaft und mitreißend. Die fehlenden Gitarren merkt man kaum, so meisterlich ist die Umsetzung. Und dann schütteln The Alligator Wine immer mal wieder ein Psych- und Kraut-Ass aus dem Ärmel, eine verworrene und abgefuckte Klangreise für Fortgeschrittene. Lebensbejahender Rock und betörend schleppender Noir ergeben ein ungewöhnliches, wenngleich großes Album. Hier lohnt sich genaues Hinhören, denn „Demons Of The Mind“ ist großes Kino.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 24.04.2020
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Website: www.thealligatorwine.com
Facebook: www.facebook.com/thealligatorwine
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