Haken – Virus
Vor sieben Jahren betrat der Cockroach King die Bühne. Seither strahlt diese Figur eine nicht zu verneinende Faszination auf Prog-Fans aus. Haken trugen den wiederholten Nachfragen Rechnung und befassten sich auf „Vector“ mit der Origin Story des populistischen Königs. „Virus“ setzt das Konzept nun fort und befasst sich mit des Cockroach Kings Machtergreifung, tyrannischer Herrschaft und Ende. Thematisch, konzeptuell und musikalisch eng verbunden, können beide Werke, so Sänger Ross Jennings, problemlos für sich gehört werden, funktionieren jedoch am besten in ihrer Gesamtheit. Komplettaufführungen beider Alben befinden sich übrigens in Planung.
Das eröffnende „Prosthetic“ symbolisiert die institutionell bedingten Vernarbungen des Protagonisten und schlägt die Brücke zwischen „Vector“ und „Virus“ mit ruppigem Elan. Haken rollen den vielleicht härtesten Track ihrer neuen Platte aus, bringen durchaus himmlische Harmonien sowie einen peitschenden Über-Refrain in bester Dream Theater-Manier ein. Das Zehn-Minuten-Epos „Carousel“ hebt sich ebenfalls sofort ab. Hier spielen die Briten sämtliche Trümpfe aus, staplen geschickt Schicht auf Schicht, legen vertrackte Druckwellen und geradezu balladeske Einschübe frei. Im großen Crescendo breitet das Sextett schließlich seine majestätischen Schwingen aus.
Und dann wäre da noch „Messiah Complex“, das 17minütige, auf fünf Tracks aufgeteilte Herzstück vom Aufstieg und Fall des Cockroach King. Jetzt gehen Haken endgültig aus sich heraus, reichern die wechselhaften Episoden mit packenden Details an und spinnen packende Spannungsbögen. In „Ivory Tower“ wird der ewige Townsend-Vergleich deutlicher denn je – knüppelharte Harmonie trifft auf fragilen Frust – im folgenden „A Glutton For Punishment“ Soundtrack-artig überspitzt und aufgeblasen. Die unvermeidbare Katastrophe deutet sich an und shreddet sich durch „Ectobius Rex“ mit einem wütenden Gitarrensolo und dem finalen Aufbäumen im großen Endkampf. Am Ende bleiben nur die Sterne.
Konstante Eskalation, Verdichtung und Auflockerung begleitet das wechselhafte wie epische Geschehen. Haken beschließen die Saga des Cockroach King – oder doch nicht? Ein unerwarteter Kniff kann nie ausgeschlossen werden, und doch klingt „Virus“ wie ein gelungener Schlusspunkt für diese packende Storyline. Nicht nur das, die Briten haben damit ihr bislang wohl stärkstes Album geschafft. Eindrucksvolle kompositorische Tiefe, atemberaubender Spielwitz und ein für Prog-Verhältnisse sympathisch songdienlicher Ansatz treiben diese nahezu perfekt geschliffene Perle an. Ausgerechnet in Zeiten wie diesen ist ein Virus die Antwort auf Ungewissheit – was ein Leckerbissen.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 24.07.2020
Erhältlich über: Inside Out Music (Sony Music)
Website: hakenmusic.com
Facebook: www.facebook.com/HakenOfficial
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