Ghøstkid – Ghøstkid
Sushi macht Musik – klingt nach einer bizarren Schlagzeile, die perfekt zum Jahr 2020 passt. Dahinter steckt allerdings Sebastian „Sushi“ Bieler, der im Februar Eskimo Callboy nach zehn Jahren verließ und seinen Solo-Schauplatz Ghøstkid ankündigte. Bieler wollte alles, worauf er momentan Bock hat – Nu Metal, Industrial und Hardcore-Geballer, aber auch Pop und Trap – zusammenführen. Kaum hatte er zur Gitarre gegriffen, ergab sich der Rest von selbst. Das Solodebüt heißt schlicht und ergreifend „Ghøstkid“ und zeigt sich im besten Sinne vogelwild.
Was für andere der Metal-Umlaut ist, dürfte für Bieler das Hardcore-Ø sein. Das nordische Ö taucht nicht nur im Projektnamen und Albumtitel auf, sondern ebenso in einigen Tracks. „Føøl“ eröffnet die Angelegenheit mit Stil, denn hier ist so ziemlich alles dabei, was die Platte ausmacht. Bieler hörte unter anderem Marilyn Manson und Fever 333, was sich nicht von der Hand weisen lässt. Die derben Gitarrenwände, der rüde Crossover-Charme, der Sprechgesang zwischendurch – was für ein Wutbrocken. In puncto kurzweiliges Durcheinander treibt es „This Is Nøt Høllywøød“ zum Äußersten. Wahlweise mit Rap-Einlage von Timi Hendrix (Trailerpark) oder Johnny 3 Tears (Hollywood Undead) zu hören, setzt es durchaus Herausforderndes.
Gäste spielen überhaupt eine wichtige Rolle auf dieser Platte. Mille von Kreator taucht in „Crøwn“ auf und keift sich in ikonischer Manier durch den störrischen Industrial-Dampfhammer mit melodischer Schlagseite. Fast noch einen Tacken stärker: „Supernøva“ mit Marcus Bischoff. Der Heaven Shall Burn-Frontmann zerlegt die fiese Ballerburg mit unheimlichem Druck auf den Stimmbändern. Das Growl-Duell im Mittelteil zählt zu den Highlights dieser Platte. Als krasses Gegenteil bemüht sich „Start A Fight“ um durchaus poppigen Crossover. Die Strophen haben fast schon Radioformat, rundherum setzt es die Nu-Bratpfanne. Hingegen erinnert das balladeske „Cøld Wørld“ an Callejon und zeigt in absoluter Reduktion eine weitere, zarte Facette, die man so vielleicht nicht erwartet hätte.
Nur etwas über 42 Minuten und doch so kunterbunt bis abgefuckt: „Ghøstkid“ muss man erst einmal sacken lassen. Natürlich ist hier einiges dabei, womit die Szenepolizei Probleme haben könnte. Aber mal ehrlich: So what? Weite Teile der Platte ballern mit wachsender Begeisterung, die Crossover- und Trap-Momente passen sich tatsächlich wunderbar in den Mix ein, dazu kommt durchaus bekömmliches Pop-Appeal. Zunächst brachial und überfordernd, dann unverschämt clever und partytauglich: Sushi macht Musik, und zwar richtig gute. Mahlzeit.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 13.11.2020
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Website: www.ghost-kid.de
Facebook: www.facebook.com/ghostkidofficial
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