Without Mercy – Seismic
Die neuen Hoffnungsträger des Chaos befinden sich im Landeanflug. Wobei, neu sind Without Mercy nun wirklich nicht. Bereits 2007 veröffentlichten die Kanadier ihre erste EP, mit neuen Releases war es in der Folgezeit aber nicht immer ganz so einfach. Tatsächlich erscheint nun erst ihr zweites Studioalbum, mit dem es für die Herren aus Vancouver dafür endgültig durch die Decke gehen sollte bzw. müsste. „Seismic“ bemüht sich um anspruchsvolle, abgefuckte Death-Metal-Intensität in Reinkultur.
Jegliche Versuche geradliniger Vorhersehbarkeit sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wie schon das eröffnende Duo zeigt. „Thunderbird“ legt mit Karacho los und dockt in den ersten Sekunden nahezu an Djent an, bevor sich ein etwas differenziertes, progressiv-technisches Bild ergibt. Alex Friis keift und brüllt mit Inbrunst, die Band hetzt durch unzählige Tempowechsel und komplexe Strukturen. Am Höhepunkt nimmt der Track beinahe thrashige Untertöne an, dazu steuert Jeff Loomis ein Gastsolo bei. Danach bemüht sich „Abysmal“ um fiesen Groove und eitrige Squeals, nur um aus dem Nichts das Tempo komplett herauszunehmen und ein jazziges Auge des Sturms zu setzen.
Ist damit alles gesagt? Noch lange nicht, denn das monströse „Disinfect The Soul“ mit einem Gastbeitrag von Chris Broderick (Act Of Defiance, ex-Megadeth) zieht die Daumenschrauben weiter an. Feinsinnige, epische Melodieteppiche treffen auf erneute Thrash-Ausflüge, zwischendurch nimmt der Prog-Death-Gummitwist sogar echte Math-Züge an. Im Groovebastard „I Break The Chain“ ziehen die Kanadier ganz andere Saiten auf und rauben mit ihren druckvollen Wänden sämtliche Sinne. Es lohnt sich, auf die Details zu achten, denn selbst in diesem intensiven Sturm lauern feinsinnige Melodien und rhythmische Kniffe.
Klar ist: Zartbesaitete Seelen sollten einen möglichst weiten Bogen um dieses Album machen. „Seismic“ ist in jeglicher Hinsicht unberechenbar und unnachgiebig. Und gerade das macht den Charme dieser Platte aus. Der konstante Wahnsinn, um den Without Mercy kreisen, strapaziert das Nervenkostüm und macht doch ordentlich Laune. Was die Kanadier in atemberaubender Geschwindigkeit abreißen, wie urplötzlich und doch stets sinnig ihre einschneidenden Wendungen erfolgen – großes Kino. Die wütende Prog-Tech-Wollmilchsau gibt sich bestens aufgelegt und angriffslustig. Eben ohne Gnade, so wie es der Bandname propagiert. Tolles Ding.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 20.11.2020
Erhältlich über: Eigenvertrieb
Website: withoutmercyband.com
Facebook: www.facebook.com/withoutmercyband
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