Genghis Tron – Dream Weapon
Glückszahl 13: In den 00er Jahren verzauberten und verwirrten Genghis Tron mit ihrem experimentell-avantgardistischen Ansatz, der Nintendocore und Cybergrind in abgedrehte, extreme Metal-Gefilde hievte. Nach dem starken zweiten Album „Board Up The House“ 2008 tourte man noch, kurze Zeit späte folgte eine permanente Auszeit – bis jetzt. Frontmann Mookie Singerman ist nicht mehr mit dabei, dafür aber die anderen beiden Gründungsmitglieder Michael Sochynsky und Hamilton Jordan. Am Mikrofon macht sich Tony Wolski breit, zudem begrüßt man mit Nick Yacyshyn (Sumac, Baptists) erstmals einen Drummer im Line-up. Das Comeback-Album „Dream Weapon“ bringt zugleich eine musikalische Weiterentwicklung mit sich.
Auf eine einfache Fortsetzung des bisherigen Schaffens wird verzichtet. Wolski verzichtet auf Wut und Aggression, singt stattdessen melodisch und beruhigend. Zudem wurden Grind- und Core-Elemente weitestgehend aus dem Mix genommen. Prog und Electro setzen stattdessen auf Atmosphäre. Das heißt aber noch lange nicht, dass Genghis Tron an Power und Einzigartigkeit verloren hätten. Der Titelsong „Dream Weapon“ wirkt instrumental wie aus der Zeit gefallen mit abgewracktem Keyboard-Einsatz und ordentlich Sinnsuche. Über allem schwebt jedoch der butterweiche Gesang, der selbst im größten Chaos einen Hauch von Gaze-Lässigkeit einbringt. Ja, daran muss man sich erst gewöhnen. Aber es geht unter die Haut.
Genghis Tron arbeiten mit wachsender Begeisterung im XXL-Format und „Ritual Circle“ überspringt mal eben die Zehn-Minuten-Marke. Während der synthetische Anteil ein wenig mit den 80s spielt und gleichzeitig an die zuweilen bedrohlichen, dann wieder ominösen Soundtrack-Arbeiten von Trent Reznor und Atticus Ross erinnert, arbeitet der Rest der Band an Spannungsaufbau, an wuchtigen und federnden Fanfaren, an wippender Lässigkeit und schaumgebremstem Wahnsinn. Die wiederholten Explosionen von „Great Mother“ kommen gut und erinnern mit ihrer brachialen Intensität entfernt an die Anfänge, doch wohnt selbst dem kaputtesten Moment eine gewisse Harmonie inne, die mit sämtlichen Beinen fest am Boden verankert ist. Die Vorteile eines echten Drummers demonstriert hingegen „Pyrocene“, dessen peitschende Salven und bissigen Uptempo-Parts unheimlich Laune machen.
Selbstverständlich waren Genghis Tron immer schon eine sehr gewöhnungsbedürftige Band und bleiben das auch weiterhin. Bloß haben sich die Vorzeichen geändert. Aus dem wütenden Chaos mit Derwisch-Anteilen wurde eine elektronisch angetriebene Prog-Gaze-Truppe mit nicht von der Hand zu weisendem Math- und Wave-Faible. Natürlich spielt Tony Wolskis deutlich ruhigerer Gesang eine zentrale Rolle, gibt sich nun deutlich beschwörender und zugleich feinsinniger. Doch vor allem stellen Genghis Tron dichte Atmosphäre nun über abgefuckten Wahnsinn. Ob man die Band deswegen erwachsen nennen sollte… wohl eher nicht. Aber nach wie vor verdammt gut, wenngleich auf frische Weise.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 26.03.2021
Erhältlich über: Relapse Records (Membran)
Facebook: www.facebook.com/GenghisTron
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