Artillery – X
Das erste Album danach ist da. Nach dem Tod von Gitarrist und Gründungsmitglied Morten Stützer wollten und mussten Artillery unbedingt weitermachen. Die dänischen Thrash-Veteranen um Mortens Bruder Michael Stützer veröffentlichten im vergangenen Jahr eine Tribute-Single mit zwei ehemaligen Sängern und machten sich gemeinsam mit Neuzugang Kræn Meier an die Arbeit für eine komplette Platte. „X“ ist – wohl keine Überraschung – das zehnte Studioalbum des Quintetts und bemüht sich insgesamt um mehr Geschwindigkeit und Abwechslung.
Nach der musikalischen Trauerbewältigung aus dem Vorjahr machen Artillery also mit Elan weiter und stürzen sich in einen packenden eröffnenden Doppelschlag, der etwas an die Großtaten der ersten Alben erinnert. „The Devil’s Symphony“, ein Track über die Faszination des Bösen und Teuflischen, rollt mit bissiger Urgewalt an und verwischt die Grenzen zwischen Thrash, Heavy und Speed. Forsche Action, druckvoller Midtempo-Wahnsinn zwischendurch und die obligatorische Solo-Action zeigen, wohin die Reise geht. Falls immer noch Zweifel bestehen sollen, wischt „In Thrash We Trust“ diese bereits im Titel weg. Die Dänen schrauben die Schlagzahl mal eben noch weiter nach oben, nehmen ordentlich Bay-Area-Schlagseite mit und packen einen der eingängigsten Refrain der Platte aus.
„Varg I Veum“ tritt deutlich gemächlicher auf und packt obligatorische Proto-Elemente aus. Hier schwimmt ein wenig NWOBHM-Ursuppe mit, während der ohnehin bestens aufgelegte Michael Bastholm Dahl seinen Stimmbändern geradezu Unerhörtes entlockt. Fast noch besser: „Beggars In Black Suits“, ein Song über undurchsichtige Geldflüsse und Spendenmissbrauch. Das mag kein übermäßig metallisches Thema sein, die vielfältige Abrissbirne dahinter nimmt dafür keine Gefangenen mit beißenden Sprints, dicken Harmoniebögen und einem Hauch Death Angel im Abgang. Hingegen überzeugt „In Your Mind“ durch schiere, forsche Wucht. Bellendes Blei trifft auf stampfende Eingängigkeit; eine kuriose Mischung, die aufgeht.
Eigentlich waren Artillery immer schon zeitlos, selbst mit ihren ersten Alben am Ende der ersten großen Thrash-Welle. „X“ zeigt eine Band, die es sich selbst und anderen noch einmal zeigen kann. Die sich nicht unterkriegen lässt und selbst größter Tragödie einen mächtigen Kinnhaken verpasst. Elf unverschämt gute Thrash- und Heavy-Tracks mit beißenden Riffs, scharfkantigen Soli und unaufdringlichen Hooks läuten passenderweise den x-ten Frühling ein. Morten Stützer wäre stolz gewesen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 07.05.2021
Erhältlich über: Metal Blade (Sony Music)
Facebook: www.facebook.com/ARTILLERY.DK
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