Low Flying Hawks – Fuyu
Es ist an der Zeit, den Stein wieder ins Rollen zu bringen: Low Flying Hawks ließen sich etwas Zeit, um ihre Sisyphos-Trilogie zu vollenden. Das Duo EHA und AAL, unterstützt von Melvins-Drummer Dale Crover und Mr. Bungle-Tieftöner Trevor Dunn, befasste sich auf dem Erstling „Kofuku“ mit der Kapitulation, mit dem Abfinden, und widmete „Genkaku“ schließlich der Suche nach Verständnis in den Untiefen des Schicksals. Nach einem kurzen Intermezzo bemüht „Fuyu“, das japanische Wort für „Winter“, die Verzweiflung am Gipfel, welche den gesamten Prozess zurücksetzt.
Laut legen die unbekannten Falken los, lassen das kurze Intro „Kuro“ mit einem gewaltigen Squeal in „Subatomic Sphere“ übergehen und bauen ihren Doomgaze-Sound – eine Mischung aus Doom Metal, Sludge und Shoegaze – mit gewohnter Präzision auf. EHAs aufwühlender Gesang, die doppelte Gitarrenfront mit ihrer verwaschenen Melodik, dazu die gemächlich schreitende, selbst in aller Kürze monolithische Rhythmusabteilung – mit einfachen Mitteln und heulenden Saiteninstrumenten erzielt die Band unglaubliche Intensität. Fast noch spannender ist jedoch, was sich zwischen den Tönen abspielt, wenn „Winter Star“ mit klaustrophober Lockerheit Widersprüchlichkeit aufs Tableau hievt und latente Coolness mit einer weiteren singenden Gitarre verbindet. Der raue Gesang kollidiert mit Zeitlosigkeit, die stellenweise an unterkühlten 80s-Post-Punk erinnert, dabei jedoch stets weit von selbigem entfernt scheint.
Auch das ist einer dieser Widersprüche, die „Fuyu“ beherrscht. Der Titelsong treibt diese auf die Spitze, wenn ein Synthesizer und spitze Schreie ein kaputtes, durchgehangenes Intro beschreiten und den Cut sukzessive einen noisigen Abgrund hinabwerfen wollen, dabei jedoch an doomiger Behäbigkeit scheitern. Gerade der schrubbende Bass fährt durch Mark und Bein. „Nightrider“ bringt abschließend stolze 13 Minuten aufs Parkett und packt reduzierten Donnerhall aus. Anstatt das Schlagzeug jedoch durchzudrücken, sorgt die psychedelisch angehauchte Atmosphäre mit ihrem undurchsichtigen Mix für beklemmende, bewusstseinserweiternde Momente. Ehe man sich versieht, geht die Monstrosität zum x-ten Mal durch die Decke und macht keine Anstalten, auch nur im Geringsten abzuebben.
Und irgendwann rollt der Felsbrocken wieder zurück, dieser Riese eines Albums, das die Ein-Stunden-Marke mehr als nur sprengt. „Fuyu“ knüpft nahtlos an die bisherigen Werke in Klang und Qualität an, treibt das Maß des Wahrnehmbaren bis zum Äußersten und bleibt dabei dennoch auf kuriose Weise fast schon harmonisch. Die zurückgenommene Explosion reitet dennoch auf einer Art Pulverfass und meditiert dabei über die Abgründe der eigenen Existenz, in bleierne Schwere und beklemmende Melodik gekleidet. Ein weiteres Mal bringen Low Flying Hawks den Stein erfolgreich ins Rollen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 27.08.2021
Erhältlich über: Magnetic Eye Records (Soulfood Music)
Website: lowflyinghawks.bandcamp.com
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