Sugar Horse – The Live Long After
Pferde mögen Zucker und hassen es, bei olympischen Wettbewerben geschlagen zu werden. Entsprechend macht eine Band wie Sugar Horse bei den Grundlagen alles richtig. Das Quartett aus Bristol besteht bereits seit 2015, blühte aber erst mit dem Einstieg von Keyboarder und Bariton-Gitarrist Jake Healy 2019 auf. Seither versuchen sich die Briten konsequent von schnelllebigen Trends fernzuhalten und bemühen stattdessen monolithisch-komplexe Töne, die sich zwischen diversen Post-, Gaze- und sogar Prog-Extremen abspielen. Ihr Debütalbum „The Live Long After“ ist ein kurzweiliger Höllenritt.
Ein Song wie „Phil Spector In Hell“ – die Titel alleine sind auf diesem Einstand bereits grandios – illustriert den eigenbrötlerischen Wahnsinn dieser Truppe nahezu perfekt. Nach und nach erhebt sich der Song aus endlosen Post-Rock-Aufbauten, waviger Shoegaze trifft auf dicke Gesangsharmonien, die an den legendären Wall of Sound des tief gefallenen Pioniers erinnern. Es wird lauter, härter und kantiger, ohne jedoch durchzudrehen. Das schafft davor „Fat Dracula“, das mit wütenden, verkrusteten Post-Hardcore-Eruptionen durch verwaschene Beschaulichkeit fährt und alles in der näheren Umgebung zerdeppert. Und dann kommt die Eingängigkeit zurück. Und schließlich wieder das Chaos.
Sugar Horse lassen sich nicht auf einen Sound festnageln, und das bekommt ihnen prima. Im wahnwitzigen „The Great British Death Cult“ fahren sie mit dem nackten Arsch ins Gesicht und pöbeln dabei lauthals, während in der zweiten Hälfte fast schon Gaze-Ambient durch die Boxen wirbelt. Wie sich „Dadcore World Cup“ stets zu neuen Höhen aufschwingt und Gevatter Post Rock mit poppiger Attitüde entgegentritt, während „Shouting Judas At Bob Dylan“ den abgefuckten Derwisch zirkulieren lässt, hat höchsten Unterhaltungswert. Ein paar Türen weiter taucht „…A Las Vegas Showgirl“ sogar in Doom- und Sludge-Gefilde ab.
„The Live Long After“ überfordert von vorne bis hinten, und das auf knapp 57 Minuten. Sugar Horse gehen ihr erstes komplettes Album ohne Frage höchst ambitioniert an und versuchen alles mitzunehmen, was gerade in der Ecke lag. Das sollte eigentlich überladen sein, klingt aber furztrocken und richtig schön räudig. Unzählige Stilwechsel und -brüche, clevere Harmonien und beißende Explosivität treffen auf ambitionierte Arrangierung und unwahrscheinlich eingängige Momente. Die Briten überfordern mit ihrem Debüt, aber das ist schon in Ordnung. Hier braut sich Spektakuläres zusammen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 27.08.2021
Erhältlich über: Small Pond Records
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