Graceful – Demiurgia

| 13. September 2021 | 0 Comments
Graceful

(c) Simon Grumeau

Musik ist Kunst und Graceful sind Grenzgänger. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Das Quartett aus dem französischen Nantes bemüht sich um die experimentelle Seite des Rock und schlägt – stellenweise gefühlt wortwörtlich – in unterschiedlichste Richtungen aus. Bereits das vor vier Jahren erschienene Debüt „No One Hears Us“ brachte gewisse Parallelen zur Gesangskunst eines Mike Patton aufs Tableau, wobei der vielschichtige Sound der Franzosen prima mithalten kann. „Demiurgia“ wurde von Magnus Lindberg (Cult Of Luna) gemixt und wagt sich noch weiter hinaus.

Schubladen explodieren spontan, wenn diese 46 Minuten durchstarten. Gelegentlich wählt man den direkten Weg als mehr als willkommene Seltenheit. So schlägt „Enemy“ mit wachsender Begeisterung wild um sich, schielt ein wenig in Richtung Post-Hardcore, nimmt die verhalten eingängige Konfusion von The Blood Brothers mit und scheint zudem Noise-Punk zu schätzen. Ein paar Türen weiter demonstriert „Water Bombs“ ein Händchen fürs Unberechenbare und wirft sich das Treppenhaus hinab. Am endlosen Weg nach unten tauchen entstellte Prog-Rock-Soli, das Muse-Falsett, schäumende Schwere und Neo-Art-Rock der hymnischen und dennoch sperrigen Sorte auf. Das passt tatsächlich prima zusammen.

Natürlich ist François Orain eine der Hauptattraktionen. Was er beispielsweise in „I Hope You Run Fast (If You Don’t Wanna Die)“ mit seinen Stimmbändern aufführt, ist komplett abgedreht. Beschwörendes Flüstern, aufwühlender Gesang und spitze, rasende Aggression geben sich die Klinke in die Hand. Im eröffnenden „The Passage“ scheint zudem das Faible der Franzosen für Elektronik durch. Wuchtige TripHop-Elemente drängen immer wieder an die Oberfläche, die große Explosion bleibt aus. In „Psylle“ drehen sie dafür komplett am Rad mit einem mehrminütigen Ausbruch, der selbst der Math- und Jazzcore-Schule Freundentränchen in die Augen treiben könnte. Dass es rundherum sogar beschaulich bis atmosphärisch wird, passt ins Bild.

„Demiurgia“ ist von vorne bis hinten eine erfrischend kaputte Wundertüte, die man sich erarbeiten muss. Natürlich gibt es ein paar leicht zugängliche Parts, sogar in fast jedem Track, die den Einstieg zumindest dezent vereinfachen. Kaum wähnt man sich auf der sicheren Seite, fällt man in ein musikalisches Labyrinth, das stellenweise wie ein großer Pott mit allen Patton’schen Projekten und Nebenschauplätzen klingt. Der Bandname trägt erfrischende Ironie in sich, die Musik verstört und verzaubert am laufenden Band – diesen kurzweiligen Wahnsinn sollte man zumindest antesten.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 17.09.2021
Erhältlich über: Vlad Productions

Website: www.graceful.fr
Facebook: www.facebook.com/Gracefultheband

Teile diesen Artikel

Tags: , , , , , ,

Category: Magazin, Reviews

Demonic-Nights.at - AKTUELLES