Kehlvin – Holistic Dreams
Fünf Veteranen melden sich nach viel zu langer Ruhepause zurück. Tatsächlich herrschte bei Kehlvin zuletzt sechs lange Jahre Stille. Das Schweizer Quintett, 1999 gegründet, veröffentlichte zwei Alben und diverse Kleinformate, und teilte sich die Bühne mit so illustren Legenden wie Knut, Will Haven und Mono. Nun kramen die Herren aus La Chaux-de-Fonds ihren metallisch-zermürbenden Post-Hardcore-Sound erneut hervor und spucken das manische, im besten Sinne erdrückende „Holistic Dreams“ aus.
Das eröffnende „The Impossibility Of Progress“ zeigt binnen weniger Sekunden, dass Kehlvin rein gar nichts verlernt haben. Höchste Intensität, bärbeißige Wut und progigg-vertrackte Ansätze entfremdeter Melodien dahinter erinnern an Mastodon, Breach und Konsorten. Brachiale Intensität am Anschlag steigert sich immer weiter in wahnwitzige Post-Exkurse hinein, nur um am kaputtesten Höhepunkt von einem episch angehauchten Gitarrensolo torpediert zu werden. Die ruhige, nachdenkliche zweite Hälfte, eine Art verlängertes Outro, wirkt dagegen fast schon versöhnlich und harmoniebedürftig.
Diese Ruhe nach dem Sturm bleibt meist nur von kurzer Dauer, denn die Schweizer brauchen ihre nervös-erhabene Energie, die zwischen komplettem Zerfleischen und Silberstreif am Horizont der Hoffnung pendelt. „Gently Thinking“ macht das prima vor und führt mit dem fragilen Intro gen Aufbruchsstimmung. Schließlich verfinstern sich die Wolken, nur etwas Entschleunigung von Sludge-Wucht entfernt, zugleich herrlich schrill und in den ruhigeren Momenten ominös. Die beinahe flüsternd gesungenen Passagen nach der Vier-Minuten-Marke gehen unter die Haut, wenig später drehen die Schweizer schon wieder am Rad.
Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Platte komplett abgefuckt ist, und dass dies ihre große Stärke ist: Kehlvin können auf ihrem Studio-Comeback aus dem Vollen schöpfen und werfen mit „Holistic Dreams“ Post-Hardcore der anspruchsvollen, angenehm vielschichtigen Art ab. Die Schweizer mögen es sperrig und komplex, besitzen zudem einen gewissen Hang zu dezenter Harmonie, der für proggig angehauchte Spannungsbögen und hymnische Momente sorgt. Selbst in den kaputtesten, finstersten Momenten kann die Sonne aufgehen, nur um wenige Sekunden später von einer Staubschicht verhüllt zu werden – eine überaus kurzweilige Platte, auf die man gerne gewartet hat.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 24.09.2021
Erhältlich über: Division Records
Website: www.kehlvin.ch
Facebook: www.facebook.com/Kehlvin-32420483865
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