One Step Closer – This Place You Know
Das Leben ohne Tour ist gerade für aufstrebende Bands schwierig, wenn nicht sogar verheerend. One Step Closer mussten dies vergangenes Jahr am eigenen Leib erfahren. Nach der starken EP „From Me To You“ und einer kleinen Promo-Single hing man in den Seilen. Eine Zeit persönlicher Probleme und Entbehrungen – in die Brüche gegangene Beziehungen, der Verlust von Familie, Depressionen – begleitete die Aufnahmen des Debütalbums. Mit „This Place You Know“ versucht sich das US-Quintett aus dem Sumpf zu ziehen.
In der erzwungen engen Auseinandersetzung mit den eigenen Traumata, wo sich das eigene Zuhause plötzlich fremd anfühlte, bemüht man sich um frische Energien und Synergien. Melodischer Hardcore der ruppigen und doch hymnischen Sorte ist das gar nicht so geheime Rezept. Im eröffnenden „I Feel So“ überholt sich die Band erst einmal in aller Kürze, zumindest bis zum angedeuteten Breakdown. Dahinter gibt sich „Lead To Gray“ zunächst muskulöser, dann fast schon radiofreundlich. Gewisse Emo-Einflüsse lassen sich nicht von der Hand weisen und äußern sich in Klargesang, der wie ein einsamer Sonnenstrahl das Meer widersprüchlicher Emotionen erhellt. Schon schlägt die nächste Druckwelle zu.
Eine gewisse Dringlichkeit scheint omnipräsent, so auch im bestechenden „Pringle Street“. Nahezu bratende Heavyness spannt das Nervenkostüm auf ein absolutes Maximum, es hagelt Midtempo-Niederschläge der intensiven Art, bevor annähernd versöhnliche Töne ein überraschendes Ende vorbereiten. Zunächst scheint „Chrysanthemum“ derlei Nachdenklichkeit abermals aufs Parkett zu holen, nur um sich in seiner Wucht zu steigern, die Auflösung immer weiter zu verschieben. Und dann folgt die Implosion. Das kurze, knackige „Time Spent, Too Long“ täuscht die Hardcore-Punk-Brechstange an und bemüht dennoch Wohlgefallen. Das klappt ebenso gut.
Nach 28 Minuten ist schon wieder Schluss und die Gefühlswelt auf den Kopf gestellt. Mit dem Mute der präzisen Verzweiflung stülpen One Step Closer ihr Innerstes nach außen und spielen mit vermeintlichen Melodic-Hardcore-Erwartungen. Emo- und Punk-Ausleger, ja sogar ein paar metallische Gehversuche treiben die Songs an. „This Place You Know“ funktioniert immer dann besonders gut, wenn nackte Emotionalität das Tempo herausnimmt, pure Verzweiflung mit der zarten Hoffnung auf bessere Tage vermischt. Die Seele fühlt sich wundgelegen an, eine grandiose Erfahrung.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 24.09.2021
Erhältlich über: Run For Cover Records (Cargo Records)
Website: onestepcloserwb.com
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