Mastodon – Hushed And Grim
Viereinhalb Jahre seit dem letzten regulären Studioalbum „Emperor Of Sand“, das liest sich tatsächlich etwas mau. Eine Ruhepause legten Mastodon aber deshalb keinesfalls ein. Mehrere Tourneen, Soundtrack-Beiträge, eine Raritäten-Sammlung sowie eine tiefe Verneigung vor dem verstorbenen Freund und Manager Nick John begleiteten die jüngere Vergangenheit. Weitere Trauerfälle und Rückschläge sorgten für eine etwas düsterere Grundstimmung bei den Arbeiten an neuem Material, das aber keinesfalls zum reinen Trauerkloß mutierte. Im Gegenteil: „Hushed And Grim“ ist das vielfältigste und vielschichtigste Werk der illustren Bandkarriere geworden, und dann auch gleich noch ein Doppelalbum.
Kann sich eine Band wie Mastodon nach all den Jahren noch weiter hinauswagen? Das gelingt tatsächlich, wie beispielsweise „Skeleton Of Splendor“ höchst eindrucksvoll unter Beweis stellt. Ein Händchen für proggige Klänge hatte das Quartett eigentlich immer schon, doch diese psychedelische Meditation mit ordentlich 70s-Flair und Solo aus dem neueren Opeth-Schaukasten ist doch noch eine ganze andere Güteklasse. Ähnliches gilt für das große Finale „Gigantium“. Was zunächst wie eine entstellte Creed-Hymne anmutet, kriegt doch diesen urtypischen Mastodon-Anstrich. Als Midtempo-Fanfare ist der Track nur ein paar Tweaks vom Rock-Radio-Hit entfernt und passt trotzdem prima zum aktuellen Soundgewand.
Natürlich ist die etatmäßige Härte keinesfalls abhandengekommen. Über weite Strecken atmet „Pushing The Tides“ den Geist der ersten Platten mit beißenden, schrillen Sludge-Anleihen und purer, zappeliger Bosheit. Die nervöse Energie bleibt selbst in klaren Passagen spürbar – es riecht nach Untergang. Ein „Pain With An Anchor“ orientiert sich hingegen an jenem Sound, der einst „Crack The Skye“ in neue Sphären hob – proggig, heavy, leicht verkopft und in den richtigen Momenten dennoch hymnisch. Selbst das ellenlange „Gobblers Of Dregs“ schlägt jenseits der Acht-Minuten-Marke den XXL-Jam an und lässt am Höhepunkt ein klassisches Rock-Solo anklingen. Das bedrohliche, finstere „Dagger“ wirkt wie eine Reaktion auf die Rückschläge der jüngeren Vergangenheit und zeigt eine gespenstische, unbequeme Seite der Band.
Tatsächlich erreicht „Hushed And Grim“ neue Sphären des Abwechslungsreichtums und entlockt Mastodon nach all den Jahren noch frische Facetten. Gerade im psychedelischen, düsteren und klassisch rockenden Bereich bemüht das achte Studioalbum frische Ideen. Bei gut 86 Minuten Musik findet sich zudem kein nennenswerter Verschnitt; viel mehr befindet sich die Platte im steten Fluss, entlockt sich selbst neue Jubel- und Aha-Momente, die gekonnt mit gewohnt beißender Härte und unnachahmlicher Wucht verbunden werden. „Hushed And Grim“ erreicht weder die Brachialexplosion von „Blood Mountain“ noch das revolutionäre Momentum von „Crack The Skye“, zeigt sich aber dennoch als eines der besten Album im ohnehin herausragenden Katalog des US-Quartetts. Die neue Evolutionsstufe reift zum Erfolg auf ganzer Linie.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 29.10.2021
Erhältlich über: Reprise Records (Warner Music)
Website: www.mastodonrocks.com
Facebook: www.facebook.com/Mastodon
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