Vildhjarta – måsstaden under vatten

| 15. Oktober 2021 | 0 Comments
Vildhjarta

(c) Vildhjarta

Wer nach zehn Jahren Album-Pause mit der vergleichsweise kurzfristigen Ankündigung eines Zweitlings so etwas wie einen Mini-Hype auslösen kann, muss irgendetwas richtig machen. Ende 2011 landete „måsstaden“, der mittlerweile legendäre Einstand von Vildhjarta und zugleich ein Referenzwerk der damals noch recht jungen Djent-Bewegung. Die Welt drehte sich seither weiter, bis auf eine EP und paar einzelne Songs passierte relativ wenig, zudem finden sich Djent-Elemente mittlerweile bei vielen modernen Metal- und Core-Bands. Kann „måsstaden under vatten“ die große Begeisterung der Anfangstage nach dem Wegfall des Außergewöhnlichen erneut einfangen?

Freilich überlassen die Nordlichter nach der langen Ruhepause nichts dem Zufall – ein Doppelalbum mit 80 Minuten Spielzeit musste es sein, wuchtig und erschütternd. Reinen Djent spielen Vildhjarta längst nicht mehr, schwimmen aber weiterhin in diesem Fahrwasser. Das machte bereits der Vorbote „när de du älskar kommer tillbaka från de döda“ mehr als deutlich. Der hohe technische Anspruch, die Brachialgewalt, verwaschene klare Momente, diabolisch-beklemmende Symphonie – all das breitet sich hier aus und spitzt sich immer weiter zu, bis das folgende „kaos2“ das kaputte Tech-Outfit mit ätherischem Gesang befeuert. Es ist einer von vielen geradezu spirituellen Momenten mitten im Chaos, ein Lichtblick mit schroffer Kante.

Der nächste Absturz kommt bestimmt und wird besser denn je hinausgezögert. „detta drömmars sköte en slöja till ormars näste“ eskaliert in seinen drei Minuten wiederholt, macht kurz das Licht an, sucht im Stakkato-Sumpf schließlich nach Erlösung. Das fiese Doppel „sunset sunrise“ und „sunset sunrise sunset sunrise“ bringt das Vildhjarta-Facelifting prima auf den Punkt. Wiederholte Zäsuren, plötzliche Eruptionen und gefühlvolle Zwischenspiele kollidieren mit beißendem Wahnsinn. Das Update von „den helige anden“ spannt über weite Strecken den Bogen zum Debüt, beharrt dennoch auf klaustrophober Post-Ambient-Atmosphäre. Und dann ist da noch „paradiso“, der zehnminütige Absturz zum Schluss, dessen Blast-Orgien auf spirituellen Klargesang in bester Borknagar-Manier treffen, bevor introvierte Beinahe-Stille die Spannung geschickt überhöht.

An dieser Mammutaufgabe hat man tatsächlich zu knabbern. Ist der Bogen überspannt? Erliegen Vildhjarta ihrem Faible für finster-vertrackte Übertreibung endgültig? Klar ist, dass „måsstaden under vatten“ viel Geduld verlangt und Erwartungen mit technischer Grandezza ad absurdum führt. Und das klappt tatsächlich prima – man bleibt sich treu und wagt sich dennoch weiter denn je hinaus. Sämtliche Djent-Hoffnungen werden erfüllt, die Atmosphäre wirkt dichter und voltailer denn je, zudem packen die klaren Momente fest zu und bohen sich tief in die Seele. Tatsächlich führt die vollkommene Übertreibung zum Meisterstück. Auf die nächsten zehn Jahre.

Wertung: 9/10

Erhältlich ab: 15.10.2021
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)

Facebook: www.facebook.com/vildhjartaofficial

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Category: Magazin, Reviews

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