Wage War – Manic
Mit drei kurzweiligen Alben und laufenden Steigerungen konnten sich Wage War ein Publikum für ihren hymnischen und experimentell angehauchten Metalcore-Sound erspielen. Dann hielt die Welt inne und das Quintett aus Florida stand plötzlich ohne Einkünfte da. Heftige Hochs und Tiefs, vor allem mentaler Natur, begleiteten die letzten eineinhalb Jahre, als man zeitweise vor dem Nichts stand. Und so verschanzte man sich in einer Hütte in Georgia und schrieb neue Musik. „Manic“ ist gewiss die bislang ambitionierteste Platte der US-Amerikaner.
Der Titelsong zeigt, dass Scheuklappen endgültig der Vergangenheit angehören. Ein düsterer Trap-Part führt eine halbe Minute lang auf eine falsche HipHop-Fährte, dann folgt die erste von vielen kleinen Explosionen. Nu Metal trifft Metalcore, der Track erreicht stellenweise brutale Dissonanzen, die sogar mit Industrial-artigen Gebilden flirten. Ein synthetisches Sprach-Sample eröffnet „Godspeed“, dann bereitet ein beißendes Riff eine der größten Hymnen der Bandgeschichte vor. Binnen Sekunden brennt sich der Refrain ein, schlägt die Grenze zu Modern-Rock-Gefilden und taumelt sogleich wieder gen wuchtigen Wahnsinn.
Wage War lassen ihre Musik gerne mal atmen, was bei der zeitweiligen Hektik dieser Platte etwas untergeht. Dabei wird ein Track wie „Never Said Goodbye“, der sich tatsächlich als Power-Ballade entpuppt, gerne mal übersehen. „Teeth“ ist vielleicht einen Ticken typischer mit seiner frontalen Angriffslust, unterschwelligen Elektronik und der präzisen Vorbereitung eines weiteren Riesen-Refrains. Genau das gelingt auch „True Colors“ hervorragend, während „High Horse“ zur Abrissbirne mit einer Prise früher Mnemic mutiert. Derlei Muskelspiele sorgen für willkommene Abwechslung.
Natürlich erfindet „Manic“ das Rad nicht neu, muss es auch nicht. Die schiere Wucht dieser 35 Minuten torpediert die Sinne und brennt sich dennoch im richtigen Moment ein. Wage War bleiben weiterhin dem Metalcore treu, entfernen sich zugleich jedoch weiter denn je von vorhersehbaren Mustern. Mächtige Hymnen auf der einen Seite, wüste Nackenschläge auf der anderen, dazu Elektronik, Trap und sogar semi-balladeske Töne dazwischen: Mehr von allem funktioniert tatsächlich prima, denn als Songwriter und Instrumentalisten waren die Herren aus Florida noch nie besser.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 01.10.2021
Erhältlich über: Fearless Records / Spinefarm Records (Universal Music)
Website: wagewarband.com
Facebook: www.facebook.com/wagewar
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