Rongeur – Glacier Tongue
Die Zukunftsaussichten der Zivilisation sind bestenfalls trist. Rongeur wissen das und schreiben ihre Musik drumherum. Die Norweger debütieren vor vier Jahren mit dem knackigen „An Asphyxiating Embrace“, das tatsächlich nicht nur die Luft raubte, sondern sämtliche Sinne gleichzeitig betäubte. Nun ist das Trio zurück, hat ein neues Label im Rücken und gestaltet die eigene Sludge-Version noch eine Spur politischer, unnachgiebiger. „Glacier Tongue“ ist wie eine Roadmap durch die Fallstricke menschlicher Irrtümer.
„Nixonian Echoes“ stürzt sich ruppig, ungeschönt in das Geschehen. Das kurze Intro täuscht, denn schnell breitet sich ein treibendes, energisches Riff als Schaukasten für manische Bosheit aus. Die Fallhöhe wurde bewusst exorbitant gewählt, die wiederholten Abstürze mit post-metallischen Untertönen, die in der Unnachgiebigkeit beinahe an die Industrial-Ansätze der viel zu früh verblichenen October File erinnern, agieren als Hook und Hassbrocken zugleich. Das kurze, bratende „Kurts Last Will“ bringt die Formel auf den Punkt. Fanfarenartige Auflockerung streut kurze, hymnische Momente ein, rundherum brechen Fabriken zusammen. Und nach 135 Minuten ist der Spuk schon wieder zu Ende.
Am anderen Ende des Albums werden die Tracks immer länger. „Harrower“ kotzt sich im Midtempo-Strahl aus und gibt sich selbst für Sludge-Verhältnisse unheimlich schwerfällig, aber eben auch verkappt melodisch. Ein feinster, oftmals sarkastisch anmutender Silberstreif kollidiert mit dem Untergangsszenario. Und doch ist nichts eitel, wie das bratende, zähe „Years Of Withering“ auf beeindruckende Weise betont. Nach Soundtrack-artigem Drama zu Beginn zieht sich die Schlinge weiter zu, selbst ein klassisches Gitarrensolo findet Platz. Als hätte man das Titantic-Orchester ausgegraben.
Die Trostlosigkeit des unvermeidbaren Untergangs schwingt bei Rongeur stets mit, und genau das macht ihre Songs faszinierend. „Glacier Tongue“ ist kein reines Sludge-Album, sondern eine kantige Wundertüte voller Überraschungen und kleiner Gemeinheiten, die gelegentlich Freundlichkeit vortäuscht, zumindest bis das Lachen im Hals stecken bleibt. Kantige Riffs, fiese Post-Metal-Einflüsse und eine fraglos unbequeme Atmosphäre, die sich wie ein roter Faden durch den Zweitling zieht, bemühen das brachial-komplexe Spiel der Gefühle. Rongeur landen den nächsten Volltreffer und sollten keinesfalls mehr übersehen werden.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 05.11.2021
Erhältlich über: Fysisk Format
Facebook: www.facebook.com/Rongeurband
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