Hanging Garden – Neither Moth Nor Rust
Das konstante Streben zu neuen Ufern und neuen Extremen begleitet Hanging Garden seit jeher. Seit ihrer Gründung häuteten sich die finnischen Finster-Expert*innen mehrmals, zuletzt durch den Einstieg ihrer Zweitstimme Riikka Hatakka. Und so setzt sich der experimentelle Tatendrang fort. Auf das präzise und doch gefühlvolle „Skeleton Lake“ folgt mit „Neither Moth Nor Rust“ eine feinsinnige EP, die abermals das vermeintliche musikalische Korsett auf die Probe stellt.
Mit dem eröffnenden Titelsong schlagen Hanging Garden sogleich die Brücke von den Anfängen zur Gegenwart. Düstere, eingängige Fanfaren treffen auf beißende Death-Doom-Exkurse, darüber legen sich große Harmonien mit Gothic-Schlagseite und einem Hauch von Synthetik. Ein einfacher und doch so packender Refrain brennt sich binnen Sekunden ein, die Wutausbrüche kommen doppelt und dreifach gut. Davon gibt es auch in „The Last Dance“ mehr als genug. Kurze Momente infernaler, erdrückender Bosheit nehmen keine Gefangenen, rundherum spielt die Band mit Pop und Elektronik. Die Grenzen zum Kitsch werden ausgelotet, dennoch bleibt der Chorus sofort hängen.
Apropos Grenzen: Über weite Strecken klingt „And Leave All Love Behind“ wie ein Ambient-Remix, von Spoken-Word-Parts und Flüstergesang durchzogen, instrumental auf ein absolutes Minimum heruntergebrochen. Nach dem kurzen Piano-Zwischenspiel „The Raven Portrait“ setzt „On The Shore Of Eternity“ zum erneuten Höhenflug an. Kaskadenartig entladen sich die mächtigen Finster-Fanfaren, gefühlt scheint das Orchester nur wenige Wimpernschläge entfernt, dann bemühen Hanging Garden sogar ominöses Doom-Prog-Drama. Als Abschluss gibt es einen beatesken Remix von „Field Of Reeds“ – solide, aber eher für Komplettisten gedacht.
Bewegende Experimente, beißende Härte und klirrende Kälte geben sich ein kleines Stelldichein in mehr als vertrauten und doch irgendwie ganz anders aufgezogenen Gefilden. Der etatmäßige Widerspruch bekommt Hanging Garden gut und macht „Neither Moth Nor Rust“ über jeden Zweifel erhaben. Klar, die Electro-Pop-Untertöne von „The Last Dance“ brauchen ein wenig Geduld und das abschließende Rework ist mehr … naja, und doch landen Hanging Garden Volltreffer am laufenden Band. Ihre vielleicht eingängigsten Momente treffen auf erstaunliche Urgewalt, die Zerrissenheit geht im besten Sinne an die Substanz. Mit einer kurzen EP werfen die Finnen Fragen auf, die keiner Antwort bedürfen – ein gewohnt spannender Exkurs.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 21.01.2022
Erhältlich über: Lifeforce Records (Membran)
Website: www.hanging-garden.net
Facebook: www.facebook.com/HangingGardenOfficial
Letzte Kommentare