Grey Daze – The Phoenix
Vor Linkin Park sang Chester Bennington für Grey Daze. Kurz vor seinem Tod verkündete er ein Comeback der alten Liebe und wollte das Mitte der 90er erschienene Material neu aufnehmen. Dazu kam es leider nicht. „Amends“ wurde zum Nachruf, zusammengesetzt aus Benningtons Originalaufnahmen und neuen Arrangements mit prominenten Gästen. Als man den ersten Schock hinter sich lassen konnte, so Bandgründer und Schlagzeuger Sean Dowdell, kam der Wunsch auf, dieses Projekt zu vollenden. Wo der Vorgänger vor allem die emotionale, nachdenkliche Seite der Band zeigte, zeichnet sich „The Phoenix“ durch mehr Energie und Aggression aus.
Das knackige, getriebene „Anything, Anything“ ist definitv ein Produkt seiner Zeit, als die Grungewelle abebbte und neue Post- sowie Alternative-Wellen lostrat. Benningtons ikonischer Gesang wirkt beißend, ufert gelegentlich in wütendes Schreien aus, während der Song dahinter verdammt catchy ist. Der hymnische und zugleich schroffe Rocker zeigt Grey Daze in Bestform, kotzt sich ein wenig aus und wiegt doch sanft in den Armen. Hingegen lässt sich „Saturation (Strange Love)“ ordentlich Zeit mit fragilen, nahezu meditativen Strophen, während der Refrain förmlich aus diesen heraus explodiert – knackig, druckvoll, sofort im Ohr.
Die Gästeliste kann sich ebenfalls sehen lassen. Richard Patrick von Filter gönnt sich im bewegenden Alternative-Wellenbrecher „Believe Me“ ein mitreißendes Duett mit Bennington, während Dave Navarro (Jane’s Addiction) das finstere und zugleich eingängige „Holding You“ mit einem starken Gitarrensolo abrundet. Emotionales Highlight ist jedoch „Hole“ mit den Stimmen von Chesters kleinen Töchtern Lily und Lila. Der schwerfällige Grunge-Vibe fängt die aufwühlende Zerrissenheit perfekt ein. Mit „Spin“ gibt es einen weiteren ruhigen Moment auf diesem Album, irgendwo im weiten Post-Grunge-Umfeld eingefangen und mit semi-balladeskem Charme ausgekleidet. Auch das steht Grey Daze hervorragend.
Und so könnte sich dieses Kapitel nun endgültig schließen. Kaum vorzustellen, wie dieses Projekt zu Lebzeiten geklungen hätte, doch münzen Grey Daze eine beschissene, unfassbar tragische Situation in gekonnte, ehrenwerte Nachlassverwaltung um. „The Phoenix“ zeigt die lebhaftere Seite der Band, gespickt mit kleinen Ohrwürmern, einem überaus versatilen Chester Bennington und geschickt eingesetzten Guest-Spots. Der sympathische Frontmann fehlt mehr denn je nach Durchhören dieser starken, abermals bewegenden Platte.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 17.06.2022
Erhältlich über: Loma Vista Recordings / Concord Records (Universal Music)
Website: www.greydazemusic.com
Facebook: www.facebook.com/realgreydaze
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