Heckspoiler – Tokyo Drift
Die schwarzen Rollkragenpullis haben ihre Farbe verloren, Heckspoiler aber keinesfalls ihren Glanz. Vor zwei Jahren donnerte „Synthetik Athletik“ durchs Gebälk – derb, kurzweilig und auf angenehmste Weise ungehobelt. Die gitarrenlosen Oberösterreicher drehen die Regler noch einmal auf Elf und kultivieren ihren Mix aus Hardcore, Punk und Rock mit wachsender Begeisterung. „Tokyo Drift“ knüpft nahtlos an das Debüt an und verbindet Augenzwinkern mit realitätsnahen Erfahrungen, ohne jemals platt oder gar unflätig zu werden.
Dass man derart ruppig und dennoch niveauvoll klingen kann, ist eine große Kunst, die das Duo absolut beherrscht. Die Schizophrenie von „Maurice“ lässt zwei Herzen – ach! – in einer Brust schlagen und hangeln sich vom sleazy Fehlschlag zum abgefuckten Wutausbruch, der Gift und Galle speit, um sich schlägt, den Verstand verliert. Es ist Wahnsinn in Reinkultur, den Heckspoiler perfekt beherrschen. Der eröffnende Titelsong „Tokyo Drift“ nimmt alles mit, was das Debütalbum unterhaltsam gestaltete, und dreht komplett am Rad. Ja, der Bass erinnert weiterhin an Lemmy, während die heiseren Husarenritte den Mut der Verzweiflung kultivieren.
Eine etwas andere Form von Rache packt „Vendetta“ aus. Der Track überschlägt sich nahezu und brennt sich trotz hohem Tempo ein, deutet im Mittelteil sogar so etwas wie Crossover-Appeal aus. „Neid“ ist nicht nur ein Hund, sondern ein hymnischer Nackenbrecher, dessen rastloser Refrain die vielleicht beste Gesangsmelodie der ganzen Platte in sich trägt. Hier kann „Elektrobike“ definitiv mithalten, alleine schon angesichts des großartigen Schmähgesangs, der aus tiefstem Herzen zu kommen scheint. Hingegen überrascht „Saufen“ nach gewohnter Raubein-Attacke mit einem balladesken Abgang, aus dem Herzen der Radioschule mit dem Besten aus den 80ern, 90ern und überhaupt.
Auch das sind Heckspoiler, immer für einen Kalauer zu haben und nie ungut. Man muss sie irgendwie gern haben für ihren beißenden Charme und ungeschliffenen Sound, der dennoch nicht mehr aus dem Ohr geht. Wo „Synthetik Athletik“ insgesamt eine Spur mehr versuchte, kleine Experimente wagte, ist „Toyko Drift“ ein konzentriertes Album mit klarem Ziel vor Augen geworden. Heckspoiler werfen überflüssigen Ballast über Bord und kultivieren den ureigenen Dreschflegel mit wachsender Begeisterung – ein unterhaltsamer Zweitling von vorne bis hinten.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 10.06.2022
Erhältlich über: Noise Appeal Records (Rough Trade)
Website: heckspoiler.org
Facebook: www.facebook.com/heckspoiler
Category: Local Bands, Magazin, Reviews
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