Kardashev – Liminal Rite

| 7. Juni 2022 | 0 Comments
Kardashev

(c) Julian Morgan

Ja, Deathgaze gibt’s wirklich. Was sich wie ein bizarrer Fiebertraum anhört, wird von Kardashev seit Jahren kultiviert. Das Quartett aus Temple im US-Bundesstaat Arizona versteht sich vor allem auf Kleinformate, die einem konzeptuellen roten Faden folgen. Man schreibt Musik und Texte, die der Selbsthilfe dienen und zur Introspektive verleiten. Erst zum zweiten Mal gibt es diesen spannenden Ansatz im Albumformat. „Liminal Rite“ widmet sich einem alten Mann, der mit Demenz ringt und beobachten muss, wie sich Erinnerungen an die eigene Vergangenheit vermehrt verfremden und verformen.

Die stete Suche nach dem schmalen Grat zwischen Wirklichkeit und verlorengehender Realität begleitet die Platte in sämtlichen Kapiteln. „Glass Phantoms“ gehört der ruppigeren Abteilung an und stellt wütende Ausritte einer gewissen Erhabenheit gegenüber, die vermehrt ihre melodischen Tentakel ausfährt und eine Brücke zwischen Frust und Hoffnung zu schlagen versucht, zumindest bis der nächste Höllenritt folgt. In „Silvered Shadows“ dockt das Tempo durchaus an schwarzmetallische Gefilde an, dann breitet sich der erste Gaze-Teppich aus. Beklemmende Melodien und klarer Gesang kollidieren mit gutturalen Growls und angedeuteten Breakdowns, beklemmende Zäsuren führen durch tiefe emotionale Täler.

Nach und nach wird klar, dass der In-Limbo-Zustand des eigenen Erinnerungsvermögens permanenter Natur ist, sogar weiter ins undurchsichtige Chaos umschlagen sollte. „Compost Grave-Song“ spielt sich am Scheideweg ab, wenn Blackened Death und infernale Vocals auf schizophrene Weise mit hoffnungsvollen Hymnen kollidieren. Zwei Herzen schlagen – ach – in dieser Brust, doch kann der ewige innere Kampf nicht gut ausgehen. Schließlich bereitet „Beyond The Passage Of Embers“ über knapp zwölf Minuten auf die Finalität des mentalen Seins vor, bemüht melodische Versöhnlichkeit und mutiert in endlosen Schleifen mit urplötzlichen Eruption zum Schwanengesang, zum Abscheid von der eigenen Identität.

Eine in jeder Hinsicht aufwühlende, niederschmettendere Stunde später liegt gefühlt alles in Ruinen. Kardashev erkunden die zunehmende Verfremdung eigener Erinnerungen mit erstaunlicher Präzision, die man ob der zuweilen brachialen, brutalen Musik kaum erwarten würde. „Liminal Rite“ ist ein weiteres Deathgaze-Lehrstück mit faszinierender Musik-Text-Schere. Das US-Quartett versteht sich auf hervorragendes Songwriting und großartige Lyrics. Zugleich wird der eigene Sound immer weniger zum Kuriosum, auch wenn er mit wachsender Begeisterung zu überfordern weiß. Auch im Langformat sind Kardashev mittlerweile eine Bank.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 10.06.2022
Erhältlich über: Metal Blade (Sony Music)

Website: kardashevband.com
Facebook: www.facebook.com/Kardashevband

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Category: Magazin, Reviews

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