…And You Will Know Us By The Trail Of Dead – XI: Bleed Here Now
Anfang 2020 fühlten sich …And You Will Know Us By The Trail Of Dead in Topform. Mit „X: The Godless Void And Other Stories“ erschien ein komplexes und zugleich eingängiges Werk, die anschließende Tour war ein voller Erfolg. Plötzlich stand die Welt still, was die Masterminds Conrad Keely und Jason Reece dazu inspirierte, einen Gang zurückzuschalten, etwas zu unternehmen und die Dinge deutlich langsamer anzugehen. Als Aufnahmeort wurde eine texanische Scheune gewählt, weil es dort unter anderem einen Sport- und Grillplatz gab, man bemühte sich um Quadrophonie-Technik und blickte musikalisch ein paar Epochen zurück. „XI: Bleed Here Now“ wischt komplexe Bemühungen beiseite und orientiert sich an 70s-Prog-Konzepten.
22 Songs, 75 Minuten – die Tracklist passt zur vertonten Epoche in aller Grandezza. Zahlreiche Zwischenspiele und Fragmente gesellen sich unter Songs, die stellenweise ungewohnt eingängig und radiofreundlich ausfallen. So trägt „Penny Candle“ viel Rock-Radio-Energie in sich und tritt einen Refrain los, der zwar ein wenig etatmäßige Eleganz in sich trägt, aber eben auch zu gewaltigen Alternative-Eruptionen fähig ist. In „Contra Mundum“ lassen Foo Fighters grüßen, die Bridge hat etwas von „I Should’ve Known“. Zugleich schwingt eine gewisse 70s-Lässigkeit mit, das Streben nach dem Ausbruch aus vorgefertigten Strukturen, nach mächtigen Druckwellen und dicker Hymne. Bloß bleibt es zumeist beim langen Aufbau, was aber auch gut passt.
Überhaupt lassen Trail Of Dead ihren vertrauten Hang zum Komplexen meist zuhause. Am ehesten kommt noch „Taken By The Hand“ an solche Ansprüche heran, nicht nur aufgrund der opulenten Spielzeit von elf Minuten. Krachende Muskelspiele, nahezu glammige Soli, verwaschener Bombast und die präzise Aneinanderreihung sachte verzahnter Parts erinnern am ehesten an frühere Werke. Dem steht ein „Field Song“ gegenüber, einer der ruhigsten und eingängigsten Songs der Bandgeschichte. Plötzlich findet man sich in Indie-Gefilden wieder, was dem Sextett allerdings sehr gut steht. Auch der verwaschene, leicht psychedelische 70s-Prog von „Millennium Actress“ oder der zunächst großspurig-harmoniebedürftige, dann krautig-treibende Irrsinn von „Golden Sail“ kommen richtig gut.
Trail Of Dead verlangen volle Aufmerksamkeit, überfordern jedoch ausnahmsweise auf ganz andere Weise. Ja, „XI: Bleed Here Now“ scheint alleine schon aufgrund der ausgedehnten Spielzeit in die Knie zu zwingen und reizt die Grenzen des Möglichen aus. Dahinter verbergen sich jedoch die vielleicht eingängigsten Songs der Bandgeschichte – ein Trend, der sich bereits auf dem Vorgänger abzeichnete. 70s-Prog, Alternative Rock, Psych und Indie stellen dieses Mal Good Vibes über komplexen Anspruch. Fans müssen vielleicht ein wenig umdenken und erhalten eine Band, die sich in den letzten beiden Jahren hörbar erholen konnte, ein neues Lebensgefühl für sich entdeckte. Das klingt zwar irgendwie anders, ohne Frage, aber immer noch sehr spannend.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 15.07.2022
Erhältlich über: Inside Out Music (Sony Music)
Website: www.trailofdead.com
Facebook: www.facebook.com/andyouwillknowusbythetrailofdead
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