Amon Amarth – The Great Heathen Army
Mitten unter der großen Südamerika-Tour zu „Berserker“ mussten Amon Amarth die Zelte abbrechen und sich in heimische Isolation begeben. Nach einer gewissen Zeit wagte man sich an neues Material und wollte einiges anders machen. Natürlich geht es um Wikinger, das sollte keine Überraschung darstellen, doch halten Parallelen zur Gegenwart ebenso Einzug wie ein paar frische musikalische Elemente, die in düstere und epische Gefilde ziehen. „The Great Heathen Army“ betritt Neuland und bleibt zugleich Amon Amarth durch und durch.
Ein Song wie „Find A Way Or Make One“ bemüht diesen Ansatz in schleppendem Tempo, von zittriger Melodik und ruppigen Hymnenansätzen entsprechend durchzogen. Das vergleichsweise klassische Gitarrensolo kommt gut. Auch im abschließenden „The Serpent’s Trail“ bemühen Amon Amarth die drückende Gemächlichkeit. Das Tempo geht raus, verwaschener Bombast trifft auf epische Finsternis. Es dauert eine ganze Weile, bis der Track aus dem Quark kommt, doch macht letztlich eben jener erhabene Marsch Laune. Dazwischen lauert mit „Saxons And Vikings“ eine faustdicke Überraschung. Klar, Tempo und Härte ziehen in vertraute Gefilde, doch mischen hier tatsächlich die legendären Saxon mit. Biff Byford und Johan Hegg harmonieren erstaunlich gut, das Gitarrensolo unterhält – ein Crossover im Geiste von Heaven Shall Burn und Hansi Kürsch.
Der massive Titelsong bemüht sich ebenfalls eher um manische Energie und will eigentlich nicht aus sich herausgehen. Das muss auch nicht sein, denn das massive Blei von „The Great Heathen Army“, gepaart mit melodischen Untertönen, kommt gut. „Get In The Ring“ eröffnet die neue Platte mit relativ vertrauter Kost – direkt nach vorne, druckvoll und zugleich etwas verschachtelt in den besten Momenten. Wer auf klassische Amon Amarth steht, kommt bei „Dawn Of Norseman“ auf seine Kosten – ein Melodic-Death-Powerhouse mit fieser, ruppiger Energie. Hingegen entwickelt „Heidrun“ das Konzept weiter mit schamloser Eingängigkeit, die nichts mit Ausverkauf zu tun haben will und stattdessen in Richtung Überhymne abbiegt.
Worauf man sich auf jeden Fall gefasst machen muss: Amon Amarth haben kein Hit-Album geschrieben, geben sich sogar vergleichsweise unzugänglich und verlangen viel Geduld. Die vielen beschriebenen Feinheiten ergeben sich erst nach mehreren Durchläufen, denn zunächst erweist sich „The Great Heathen Army“ als Dickicht, bei dem sich nichts so richtig aufdrängt. Und schließlich schimmern die Details durch, die etwas ungewöhnlicheren Überflieger, die massiven Wände, die magischen Explosionen, die hymnischen Momente für eine nicht näher benannte Ewigkeit. Amon Amarth wagen sich auf neue Wege, auf die man sich erst einlassen muss. Es lohnt sich jedoch, von der ersten bis zur letzten Minute.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 05.08.2022
Erhältlich über: Victorious Music / Metal Blade (Sony Music)
Website: www.amonamarth.com
Facebook: www.facebook.com/amonamarth
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