The Callous Daoboys – Celebrity Therapist
Der absolute Wahnsinn hat einen Namen: The Callous Daoboys aus Atlanta, Georgia halten die Mathcore-Flagge hoch. Als schlankes Septett – neuerdings um eine Synth-Expertin erweitert – tanken sich die US-Amerikaner*innen durch Chaos in Reinkultur, von musikalischer Cleverness, kleinen Widerhäkchen und unerwartet melodischen Momenten durchzogen. Nach einem ersten starken Album griff das Upstart MNRK zu und gewährt dem Nachfolger „Celebrity Therapist“ nun die verdiente große Bühne.
Es dauert eine halbe Minute, bis „Violent Astrology“ aus dem Quark kommt, dann dreht der Track wie The Dillinger Escape Plan zu „Miss Machine“-Zeiten ab – frontal, brutal, präzise. Was hier an Wut in jeder Sekunde steckt, selbst in den instrumentalen Zäsuren, beeindruckt auf ganzer Linie. Gerade die sich selbst zerlegende und vorsichtig erneut aufrichtende zweite Hälfte ist ein Lehrstück für abgefahrenen Wahnsinn. Mehr davon bringt „What Is Delicious? Who Swarms?“ mit. Der Songtitel alleine ist bereits ein Highlight, der Klargesang mittendrin reift hingegen zur Offenbarung. Post-Hardcore und sogar (chaotischer) Metalcore schwingen bei den Daoboys stets mit.
Diese Eigentümlichkeit bringt „Title Track“ exquisit auf den Punkt. Hier zäumt das Septett den bockenden Gaul von hinten auf, arbeitet sich vorsichtig und suchend in Richtung Pulverfass, treibt die Stimmung in aller Gemächlichkeit auf den Siedepunkt … nur um plötzlich Eingängigkeit aufs Parkett zu holen, die schnell von Math-Brachialgewalt zersetzt wird. The Callous Daoboys ziehen die Stellschrauben an, lassen aber erst zum Schluss eskalieren. Gefühlvolle, siedende Harmonien lassen gekonnt ausflippen. Das gilt auch für „Star Baby“, bloß irgendwie anders: Ist das Discocore? Der schräge, abgewrackte Bounce lässt zunehmend in Richtung Wahnsinn verfallen, der von radiotauglichen Melodien, einem Saxofon und Easy-Listening-Prog zunehmend erstellt wird. WTF?
Selbst in den (vermeintlich) kaputtesten Momenten wissen The Callous Daoboys aufzublühen. Ja, Mathcore bildet das Rückgrat dieses Zweitlings, bloß haben die US-Amerikaner*innen keinesfalls vor, etwaigen Erwartungen an das Genre streng zu folgen. Stattdessen befindet sich „Celebrity Therapist“ im steten Wandel, reiht absolutes Chaos und rasende Wut an feinsinnigen Prog, an starke Melodien, an mächtige Post-Hardcore-Hooks. Selbstverständlich überfordert diese Platte, aber eben auf unfassbar gute, sympathische Weise – ein eindrucksvoller, süchtig machender Schritt in Richtung Math-Olymp.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.09.2022
Erhältlich über: MNRK Heavy (SPV)
Facebook: www.facebook.com/thecallousdaoboys
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