Huracán – We Are Very Happy
Der gedachte Mittelfinger grüßt immer: Huracán aus dem belgischen Gent – Namen werden überbewertet – lieben das unvorhersehbare Chaos und spielen gerne mit den Erwartungen. Als Post-Metal-Band bricht man gekonnt mit etwaigen Genre-Voraussetzungen und nimmt zugleich eine kräftige Portion Sarkasmus mit, spielt mit wachsender Begeisterung mit der Text-Bild-Schere. Entsprechend ist auch der Titel ihrer dritten Platte zu verstehen: „We Are Very Happy“ suggeriert eine Glückseligkeit, die von der harschen Realität in Fetzen gerissen wird.
Das Glück ist ein Vogerl, und der eröffnende Titelsong lebt das vor. So erinnert das Riffing an Mastodon und Baroness, dahinter lauert jedoch der erste von unzähligen doppelten Böden, die pures Chaos zelebrieren. Wütende Schreie, Post-Metal-Epik, Prog-Dynamik und bewusste Extreme-Störsignale zersetzen den Track mit wachsender Begeisterung. Von „We Are Very Happy“ bleibt eigentlich nur bekömmliches Kargland zurück. „Bruises“ zieht seine mächtigen Riffwände früh auf, jagt Stakkato-Rhythmik und geifernde Vocals drüber. Eine Art Pit öffnet sich und führt direkt in die Hölle, rundherum wird geflucht und gegrantelt.
Es gibt aber auch melodischere Exkurse, zumindest teilweise. „Kings Of The Worlds“ trägt diese in sich, beginnt mit Stoner-Sludge-Charme und eskaliert zusehend, als würden sich The Ocean um klassisches Riffing bemühen. In jeder Sekunde brodelt es, zwischendurch bemühen Prog-Ausflüge echten Klargesang, bevor die nächste Tempoverschärfung in Richtung Wahnsinn drängt. Das überlange „Dobermann Multiverse“ fasziniert vor allem in seiner zweiten Hälfte. Nachdem es zunächst mit Karacho nach vorne ging, drehen die Belgier die Regler zurück und öffnen sich durchaus progressiven, epischen und hochmelodischen Klängen – eine höllische Fanfare, die sich mit Mut und ohne Verzweiflung erhebt.
45 verschwitzte Minuten später warten Fragezeichen und zuckende Mundwinkel. Nein, von Freude und absolutem Glück kann keine Rede sein, das machen Huracán immer wieder deutlich. Und doch macht „We Are Very Happy“ Spaß, weil man hier mit wachsender Begeisterung durchdrehen kann. Mächtige Riffs auf der einen und unvorhersehbare, stets nur einen Wimpernschlag vom Durchdrehen entfernte Arrangements auf der anderen Seite basteln Post-Sludge der geschmackvollen Art – ein komplexes und doch kurzweiliges Werk, das man sich mit wachsender Begeisterung erarbeiten möchte.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 30.09.2022
Erhältlich über: dunk!records
Facebook: www.facebook.com/Huracanorchestra
Letzte Kommentare