Lost In Kiev – Rupture
Seit mittlerweile über einem Jahrzehnt widmen sich Lost In Kiev rein instrumentalen narrativen Konzepten. Die französischen Post-Rock-Experten, deren Name aktuell emotionaler denn je gelesen wird, schafften mit „Persona“ 2019 einen kreativen Befreiungsschlag und fanden das erhoffte Mittelmaß zwischen etatmäßigen Klängen sowie neueren synthetischen Welten. Exakt diesen Weg verfolgen sie nun auf „Rupture“ höchst erfolgreich weiter.
Der erste Vorbote „Solastalgia“ rückt die musikalischen Verhältnisse gekonnt gerade. Es dauert eine ganze Weile, bis sich der Track so richtig aufbäumt, sein Harmoniebedürfnis beiseite schiebt und Platz für bratende Heavyness macht. Diese Leichtigkeit, dieser scheins fließende Übergang erinnert auf beste Weise an frühe Collapse Under The Empire und bringt doch alles mit, was man sich (mittlerweile) von Lost In Kiev erwartet. Im abschließenden „Rupture“ kämpft sich die Distortion immer wieder an die Oberfläche, nur um sich selbt auszubremsen. Fragile Momente kollidieren mit entstellter Explosivität, der Hall wird zum zusätzlichen Instrument.
Eine spannende Kollaboration zeigt, dass die Franzosen auch prima für Sänger schreiben können. Loïc Rossetti von The Ocean stößt in „Prison Of Mind“ zur Band und zeigt sich in bestechender Form. Was anfangs lieblich, fast schön freundlich und proggig klingt, verfinstert sich zusehend. Natürlich wird es richtig schön rau, Lost In Kiev stoßen zuweilen in post-metallische Bereiche vor, zitieren kurz Breach und finden doch wieder zurück zu Vertrautem – was für ein Überflieger. Rundherum gesellen sich vertraute, lebhafte und vielschichtige Perlen, darunter das sich mehrfach entladende „Another End Is Possible“ oder das eröffnende Statement-Piece „We Are“.
Der absolute Aha-Effekt des Vorgängers mag ausbleiben, und doch ist „Rupture“ eine sehr runde Sache geworden. Lost In Kiev konsolidieren sich auf hohem Niveau und schreiben Songs, die nicht so schnell loslassen. Hohe narrative Qualität, zugleich luftige und drückende Arrangierung, dazu ein fantastischer Gastbeitrag – die Mischung stimmt abermals. Wer narrative Intelligenz und ungewöhnliche, synthetische Post-Rock-Experimente schätzt, ist bei den Franzosen abermals sehr gut aufgehoben.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 21.10.2022
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/lostinkiev
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