Isafjørd – Hjartastjaki
Die kalten Winter Islands sind der perfekte Nährboden für musikalische Großtaten. Aðalbjörn Addi Tryggvason (Sólstafir) und Ragnar Zolberg (Sign, ehem. Pain Of Salvation) fanden sich in einem alten Haus mit einem kaputten Klavier wieder, mitten in klirrender Kälte, und schrieben zugleich unwahrscheinlich helle und düstere Musik, wie sie nur aus der Subarktik kommen kann. Als Isafjørd (dt. „Fjord aus Eis“) bewegen sie sich irgendwo zwischen Post Rock und Dark Pop. Auf ihrem Einstand „Hjartastjaki“ suchen und finden sie ihre musikalische Identität.
Ausgerechnet das große Finale verkörpert die monumental-fragile Eigenwilligkeit des Duos nahezu perfekt. Zunächst tastet sich „Andvök“ betont, bewusst vorsichtig voran, erhebt sich nur schwerfällig aus seinen reduzierten Pop-Visionen. Nicht minder zögerlicher Gesang gewinnt zunehmend an Selbstbewusststein und legt nach der Hälfte des Songs endlich Dringlichkeit zutage. Aus den frustrierten Schreien erhebt sich ein gewaltiges Post-Rock-Crescendo, kurz und prägnant, dann erneut, tief in Nordic-Noir-Gefilden verhaftet und von karger wie bittersüßer Schönheit geprägt.
Dieses Wechselbad der Gefühle zieht sich wie ein roter Faden durch weite Teile dieser Platte. In „Heiðin“ passiert zum Beispiel sehr lange nichts. Das in Mitleidenschaft gezogene Piano zaubert magische Melodien und gönnt sich frostigen Pop, bevor Post und Dark das Heft langsam in die Hand nehmen. Nicht zum letzten Mal werden Erinnerungen an Sigur Rós wach, wenn bezaubernde Welten auf ruppige Distortion treffen. „Mín Svarta Hlið“ zieht das gesanglich stärker durch und bringt beide Welten zusammen. Sympathische Versöhnlichkeit kollidiert mit entstelltem Fernweh, ein Ergebnis bleibt – natürlich – aus.
Trotz zeitweise poppigem Anstrich muss man sich „Hjartastjaki“ erst erarbeiten, weil es über weite Strecken herzlich wenig mit dem zu tun hat, was man sich von den beiden Musikern erwartet. Die stete Abgründigkeit, selbst in den freundlichsten Momenten, verleiht Isafjørd letztlich das sprichwörtliche gewisse Etwas. Man weiß nie, wohin der nächste Song führt, zwischen frostiger Intensität und schroffem Gefälle. Klar, da muss man sich erst reinhören, doch entlohnen Tryggvason und Zolberg dies mehr als fürstlich – ein kleiner Leckerbissen für gute Kopfhörer, der Richtung Polarkreis entführt.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.12.2022
Erhältlich über: Svart Records (Membran)
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