BIG|BRAVE – nature morte
Die elementare Intensität wuchtiger Musik trifft auf folkiges Storytelling und jenseitige Sinnsuche: Nach einer grandiosen gemeinsamen Platte mit The Body melden sich BIG|BRAVE wieder in Eigenregie zurück. Der Sludge-Wahnsinn des Trios kollidiert aktuell mit dem vermeintlichen Idyll der Natur und legt zugleich einen noch stärkeren Fokus auf gute Geschichten. „nature morte“, der französische Begriff für ‚Stillleben‘, wagt sich weiter denn je in die Untiefen von Feedback-Schleifen und karger Atmosphäre vor.
„carvers, farriers and knaves“ eröffnet in media res und watet knietief im Chaos. Robin Watties Gesang und Gitarre scheinen einen Konflikt heraufzubeschwören – laut, dissonant, leicht schief und doch irgendwie wohlig. Es ist der erste von vielen Widersprüchen, die sich wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk ziehen. In der zweiten Hälfte findet der Track etwas besser zusammen. Donnernde Drums, kantiger Bass und gelegentliche Screams kollidieren mit den etatmäßigen Folk-Untertönen. Vor allem die komplette Überdrehung von Noise und Feedback-Schleifen rund um die Drei-Minuten-Marke zerstört auf beste Weise.
In überlangen Songskizzen ergibt sich das volle Spektrum der Eigentümlichkeit. „a parable of trusting“ lebt von Sludge-Kargland, das zuweilen in noisige Drone-Sphären eintaucht, während „the fable of subjugation“ erst die Vocals für einen reduzierten, gespentischen Auftakt mit Americana-Schlagseite in den Mittelpunkt rückt, bevor es richtig schön laut, drückend und zerstörerisch wird. Und dann ist da noch die eröffnende Gitarre von „the one who bornes a weary load“, die so etwas wie ein klassisches Riff andeutet. Schließlich rückt die erste von vielen Druckwellen an. Speziell nach der Sechs-Minuten-Marke stürzen gefühlt Gletscher ein, begleitet von einer wilden Robin Wattie, die Wut und Schmerz zu kanalisieren weiß.
Ja, „nature morte“ ist ob der schieren Spannung stellenweise kaum zu ertragen. Das Nervenkostüm wird nahezu zuerfetzt, der fließende Übergang von reduziertem Storytelling zu Noise, Sludge und verzweifelter Aggression verstört am laufenden Band. BIG|BRAVE bleiben ein Benchmark für gefällige Zerstörung und reizen die Möglichkeiten der Feedback-Atmosphäre weiter denn je aus. Darunter verbirgt sich fragile Schönheit, die gehegt und gepflegt werden will. Abermals lassen BIG|BRAVE sprachlos zurück, abermals begeistert die kaputte Widersprüchlichkeit des Seins von vorne bis hinten.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 24.02.2023
Erhältlich über: Thrill Jockey Records (Indigo)
Website: www.bigbrave.ca
Facebook: www.facebook.com/bigbravemusic
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