Motionsick – The Inner Side
Das goldene Zeitalter der Fernsehserie mag mittlerweile passé sein, doch finden sich selbst im Überangebot noch Perlen, die etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen. Was das mit vier Herren aus Innsbruck zu tun hat? Motionsick nennen ihr Debütalbum die ‚erste Staffel einer musikalischen Serie‘, wenden serielle Erzählmuster für ihre Songs an und verleihen dem Mix aus Grunge, Alternative, Punk und Core zusätzlichen Tiefgang. „The Inner Side“ handelt von einer Person, deren innere Dämonen hinter einer Maske aus Lügen lauern.
Die sprichwörtliche Würze liegt in der Kürze: Von den 14 Tracks, darunter mehrere Interludes, überschreiten bloß zwei die Vier-Minuten-Marke. Diese für Band-Verhältnisse nahezu ‚epischen‘ Exkurse gelingen dafür richtig gut. Im quasi eröffnenden „Empty Voice“ bauen Motionsick schnell ihre musikalische Identität auf. Diese basiert auf düsteren Grunge- und Alternative-Konzepten, die jedoch durch angepunkte Core-Wucht und semi-proggige Einschübe gekonnt erweitert bis entfremdet werden. Immer wieder versuchen sich die inneren Dämonen an die Oberfläche zu kämpfen; zwei Seelen wohnen, ach, in des Protagonisten Brust. Das beklemmende „Sisyphus“ versucht sich zu befreien und bricht doch laufend unter der eigenen Last zusammen – eine spannende, gekonnt verstörende Tour de Force.
Doch die zahlreichen kurzen, pointierten Episoden sorgen für Unterhaltung. So wagt sich „Parasite“ tiefer in die Abgründe der eigenen Unruhe hinab. Der Spannungsaufbau erinnert schon mal an Deftones, die Explosivität trägt stilvolle Core-Kleider. „Slug“ erhebt sich gemächlich aus der Distortion und sucht nach Möglichkeiten, um den eigenen Schmerz und die eigene Verwirrung in passende Worte zu fassen. Das folgende „The Shed“ unterhält mit ominösen Melodieteppichen und einem knackigen Finale. Auch „Apnea“ hebt erst spät so richtig ab, wirkt wie eine einzige überdimensionale Fanfare, die nach einem Licht am Ende des Tunnels der Unvermeidbarkeit sucht.
Letztlich weiß dieser Einstand zu unterhalten, unabhängig von der Betrachtung narrativer Fäden. Lässt man das Konzept außer Acht, ergibt sich ein spannender, vielschichtiger musikalischer Mix mit manch einem Highlight, so eindringlich wie hymnisch, brachial wie brodelnd. „The Inner Side“ wächst durch seine spannende, kompakte und zugleich aufwühlende Präsentation jedoch erst über sich hinaus. Motionsick liefern ein packendes, kurzweiliges Debüt ab, das schon jetzt auf eine ähnlich starke, intensive zweite Staffel hoffen lässt.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 10.02.2023
Erhältlich über: Rasselbande Records
Facebook: www.facebook.com/motionsickband
Category: Local Bands, Magazin, Reviews
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