Super Pink Moon – Iron Rain
2019 rief Ihor Pryshliak, Gitarrist und Sänger bei Somali Yacht Club, mit Super Pink Moon einen Solo-Schauplatz ins Leben, um sich in etwas verträumteren Gefilden auszutoben. Bereits Ende 2020 erschien mit „Nude“ ein erstes Mini-Album. Der Nachfolger wurde während der russischen Invasion von Pryshliaks ukrainischer Heimat geschrieben – zur Hälfte vor, zur Hälfte nach dem 24. Februar 2021. Die Musik sollte als Flucht aus dem brutalen Alltag dienen und zugleich einen Prozess der Selbstheilung einleiten. „Iron Rain“ setzt sich mit widersprüchlichen Emotionen auseinander und versucht zugleich so komplex wie möglich zu sein.
Die Unwirklichkeit der neuen Realität kommt bereits im Songtitel des Openers durch: „Nothing Is Real“ beschreibt eine gewisse Fassungslosigkeit und kleidet diese in Shoegaze und Post Rock, während unter der Oberfläche finsterste Beklemmung geradezu brodelt. Der Gesang ist butterweich, die Emotionen fallen roh aus, und das Kargland der zweiten Songhälfte holt urplötzlich ins Hier und Jetzt zurück. Dort wartet das trügerische „Calmness“, mehr Fragment denn eigentlicher Song, dessen Ambient-Ansatz eine Art Ruhepuls zu simulieren versucht. Solche Einschübe und Eigenwilligkeiten tauchen im Laufe der Platte immer wieder auf, wobei das Synthie-Pop-Anhängsel „ウクライナにславаあれ“ so richtig aus dem Rahmen fällt.
Doch haben es auch mehr als genug ‚echte‘ Songs auf die Platte geschafft, darunter das triumphale wie zerstörerische „Per Aspera Ad Astra“. Dicker Alternative Rock sowie melancholische Heavyness Marke Deftones schwingen mit, die donnernden Drums zerlegen den Track stellenweise. Die abschließende Fanfare geht unter die Haut. Spannend fällt auch das mit einem Video versehene „Doomscrolling“ aus, das sich insgesamt in klassischeren Gaze-Gefilden aufhält, sich eher zögerlich in das mächtige Arrangement wagt. Der schroffe, schrubbende Bass geht nicht mehr aus dem Ohr, zum Ende hin ist die Intensität kaum auszuhalten.
Wohlige Unerträglichkeit zieht sich durch 38 aufwühlende Minuten, die weit über klassische Shoegaze-Erwartungen hinausgehen. Die Suche nach Sinn und Verständnis ist Pryshliak in jeder Sekunde anzumerken. Ob „Iron Rain“ dies findet, sei dahingestellt, doch geht die offensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst, mit brutalsten Lebensumständen und mit dem zarten Versuch von Eskapismus im besten Sinne unter die Haut. Super Pink Moon faszinieren mehr denn je mit einem Album, das definitiv nicht kalt lässt.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 16.02.2023
Erhältlich über: Eigenvertrieb
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