Sermon – Of Golden Verse
Er steckt hinter der Maske. Er ist die große Unbekannte, die den modernen, gerne mal extremen Prog-Sound von Sermon antreibt. Von Drummer James Stewart (ehem. Vader) und Produzent Scott Atkins, den Er als drittes Bandmitglied bezeichnet, begleitet, darf sich die bekömmliche wie beklemmende Düsternis nun weiterentwickeln. Dass die Band nach dem ersten Album und einem einzigen Gig plötzlich von der Bildfläche verschwand, machte sie letztlich nur noch faszinierender und mysteriöser. Der Zweitling „Of Golden Verse“ trägt der Düsternis der letzten Jahre Rechnung und bemüht zudem gekonnte Weiterentwicklung im sympathisch übersichtlichen Rahmen.
Im Quasi-Titelsong „Golden“ kommt alles auf gekonnte, hochgradig unterhaltsame Weise zusammen. Der hibbelige Auftakt mit feinem Klargesang – ein Fest für Fans von Soen und Katatonia, was auch musikalisch für weite Teile der Platte gilt – unterhält, macht aber auch deutlich, dass sich hier einiges zusammenbraut. Sermon wagen sich immer tiefer in das finstere, komplexe und zugleich stimmungsvolle Arrangement vor. Mächtige Gesangsmelodien, anspruchsvolle Polyrhythmik-Gehversuche sowie dichte Atmosphäre geben sich die Klinke in die Hand. Das betont mächtige, geradezu epische Finale geht im besten Sinne unter die Haut.
Komplexe, überlange Songs sind ihr Spezialgebiet, und so verwundert es kaum, dass das nahezu achtminütige „Senescence“ ebenso zu verzaubern weiß. Dabei passiert hier eigentlich herzlich wenig. Minutenlange Pianoklänge, erhabene Reduktion und ein erst spätes, nur schemenhaftes Durchstarten spielen mit Elementen einer Prog-Ballade, denen Er seinen ureigenen Stempel aufdrückt. Hingegen fällt „Royal“ nach dem Intro mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus, nimmt ein wenig der gelegentlichen rasenden Wut des Debüts mit und treibt die Finsternis in neue, gar schauderbare Ecken. Die einzelnen Parts finden nur langsam zueinander, doch bleibt die Prog-Collage hängen – angenehm anders, giftig, kurzweilig.
Keine Revolution, dafür gekonnte Evolution: Sermon schlagen ein neues Kapitel mit vertrauten Mitteln auf, bemühen frische Feinheiten und leben weiterhin ihre düsteren Prog-Visionen aus. Er reduziert die teils ruppige Härte des Einstands und lässt mehr Platz für emotional aufgeladende, melancholisch-misanthrope Hymnen der anspruchsvollen Art. „Of Golden Verse“ entfaltet seine volle Strahlkraft erst nach ein paar Durchläufen, geht dann dafür nicht mehr aus dem Ohr – ein weiteres kleines Wunderwerk, so kauzig wie mitreißend. Mysterium hin oder her, musikalisch sind Sermon mit dieser spannenden Perle über jeden Zweifel erhaben.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 31.03.2023
Erhältlich über: Prosthetic Records (Cargo Records)
Website: www.sermonsound.com
Facebook: www.facebook.com/Sermonsound
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