Grave Pleasures – Plagueboys
Gut Ding will Weile haben – sehr viel Weile, was Grave Pleasures betrifft. Ihr letztes Album hat mittlerweile fünfeinhalb Jahre auf dem Buckel, man spielte live, widmete sich anderen Projekten und ließ sich generell nicht stressen. Der einstigen düsteren Hype-Maschine half das und bot ordentlich Zeit, um den eigenen Sound jenseits übermäßiger Erwartungshaltung weiterzuentwickeln. Unter den Eindrücken des Kalten Kriegs setzt „Plagueboys“ zum Landeanflug an und schärft das apokalyptische Klangprofil ein weiteres Mal.
Das Ergebnis ist noch eine Spur eingängiger, ohne sich anzubiedern. Mat McNerney singt nach wie vor wie ein Meister der bittersüßen Finsternis, begleitet von Dark-, Gothic- und Post-Punk-Schmankerln. Ein solches ist „Society Of Spectres“, dessen anfängliches Zögern und Zaudern schnell zugunsten hymnischer Macht aufgelöst wird. Reduzierte Strophen, großer Refrain, fast schon Pop-Appeal – es kann manchmal so einfach sein. Im abschließenden „Tears On The Camera Lens“ deuten Grave Pleasures eine große Goth-Pop-Ballade an, bis schließlich die etatmäßige Gitarre einsetzt und den von synthetischen Untertönen befeuerten Track erst so richtig aufblühen lässt.
„Heart Like A Slaughterhouse“ trägt den einzigartigen wie eigenwilligen Charme des Quintetts bereits im Trio. Aus dem Stotterstart entwickelt sich eine treibende Abfahrt, die durchaus auf der legendären Beastmilk-Platte funktioniert hätte, wobei das eingebaute leichte Bremsen, der feinste Anflug eines Zögerns, zu unterhalten weiß. „When The Shooting’s Done“ verdichtet das Geschehen, bringt etwas Wave-Pop à la Drangsal ein und verschiebt Gothic-Chic in Richtung Pop-Fluff – ein schmaler Grat, der mit eindrucksvoller Präzision getroffen wird. In „Lead Ballons“ erinnern die Nordlichter sogar etwas an Interpol und treiben ihre Zuwendung zu bekömmlicheren Klängen fort. Auch das funktioniert.
Im besten Sinne eingängig, so oder so ähnlich lässt sich dieser neue Nackenschlag zusammenfassen. Die Ecken und Kanten werden etwas weniger, ohne komplett von der Bildfläche zu verschwinden. Mehr Pop, etwas Synthetik und noch größere Melodien halten Einzug und vermengen sich prima mit der erstickenden Düsternis der früheren Werke. „Plagueboys“ schreibt ein neues Kapitel für Grave Pleasures, ohne dafür alles Alte komplett über den Haufen zu werfen. Die Hit-Maschine reitet wieder, bloß etwas anders – auch von diesem Album kann und will man nicht so schnell genug bekommen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 21.04.2023
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Facebook: www.facebook.com/gravepleasvres
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