Wolfredt – IIII
Vor ca. zehn Jahren rief Margus Voolpriit sein Soloprojekt Wolfredt ins Leben. Zwei Alben im Alleingang konzentrierten sich auf progressiven, rein instrumentalen Post Rock … und doch stellte der Este fest, dass mehr Input mehr Ideen und Melodien bedeuten könnte. So wurde daraus eine komplette Band, die mit dem düsteren „Tides“ ein wuchtiges, intensives Konzeptwerk veröffentlichte. Seither hielt noch mehr Düsternis Einzug, nicht zuletzt durch tiefe Einschnitte und schwere Verluste bedingt. „IIII“ entwickelt den mittlerweile vertrauten Sound weiter und wagt sich an deutlich mehr Tiefgang.
„Terra Nullius“ demonstriert eindrucksvoll, wie weit das Quartett nunmehr gekommen ist. Neun Minuten lang spielen sie gekonnt mit Grenzen und Erwartungen, hoher Suchtfaktor inklusive. Der betont lange, detailreiche Aufbau lebt von Präzision und Gefühl, legt zunächst Schicht auf Schicht, bevor eine erste Zäsur auf die falsche Fährte führt. Unerwartete Heavyness und geradezu monströse Distortion sowie ausnahmsweise eingesetzte Vocals – Screams der puren Verzweiflung – treiben die Stimmung auf den sprichwörtlichen Siedepunkt. In den letzten Minuten überraschen Wolfredt mit Groove auf dem Weg zum unvermeidbaren Zusammenbruch.
Es geht aber auch ganz anders, wie die erste Hälfte von „The Original Android“ beweist. Ruhige, mäandernde Klangsphären bemühen Soundtrack-Atmosphäre, sogar ein wenig Ambient-Flair mischt mit. Zum Ende hin geht das Geschehen einmal mehr durch die Decke, wütend und doch so süßlich. Hingegen bemüht sich die Video-Auskopplung „Under The Spell“ um mehr Dringlichkeit. Großes Vorgeplänkel bleibt aus, eine Art Leitmotiv kristallisiert sich relativ schnell heraus und nimmt das Heft in die Hand. Selbst ein kurzes Luftholen in der Mitte tut der intensiven Präsentation keinen Abbruch.
„IIII“ fordert im besten Sinne heraus, ohne zu überfordern, weil Wolfredt Vertrautes mit frischem Wind verbinden. Natürlich ist das vierte Werk der Esten – das zweite als Band – in klassischer Post-Rock-Tradition zu verstehen und spielt mit klassischen, etabilierten Elementen. Zugleich lässt sich der proggige Ansatz keinesfalls von der Hand weisen, mit mehr Groove, erdrückender Schwere und sogar gelegentlichen Screams gepaart. Wolfredt wagen viel und landen damit einen vollen Erfolg – spannende Evolution mit Charme und Anspruch.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 28.04.2023
Erhältlich über: Moment of Collapse Records (Broken Silence)
Facebook: www.facebook.com/Wolfredt
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