Calligram – Position | Momentum
Die räudigen, unnachgiebigen Extreme, welche das international besetzte Quintett Calligram seit jeher begleiten, wollen einfach nicht nachgeben. Auf ihren letzten Platten fanden Black Metal, Blackened Hardcore und verkrusteter D-Beat eine überaus brachiale, zerstörerische Balance in einem Chaos, das längst unwiederbringlich aus den Fugen geraten ist. Für ihren neuesten Streich bemühen sie insgesamt etwas mehr Atmosphäre und geben dem omnipräsenten Wahnsinn etwas Freiraum, um durchzuatmen. „Position | Momentum“ schafft Tiefgang durch lohnenswerte frische Facetten.
Wie das funktionieren kann, zeigt das abschließende „Seminario Dieci“. Hier bemühen Calligram sämtliche Extreme mit einer Fülle an emotional aufgeladenden, zugleich kargen Einschüben rein instrumentaler Natur, die wiederholt von absoluter Brachialgewalt torpediert und zerschossen werden. Das sollte nicht so gut funktionieren, geht aber voll auf. In „Frantumi In Itinere“ zeigen sie hingegen, dass sie rein gar nichts an chaotischer Wut eingebüßt haben. Ohne Vorwarnung geht der Track nach vorne, überschlägt sich selbst, gibt sich derb und ausufernd. Wenn jedoch mitten am Höhepunkt das Tempo rausgenommen und durch dichte Post-Black-Atmosphäre ergänzt wird, ist alles eitel. Hier kommen beide Welten gar fantastisch zusammen.
In „Ostranenie“ scheint der Ansatz stellenweise an seine Grenzen zu stoßen. Nach und nach halten besagte atmosphärische Texturen Einzug, führen in eine beklemmende wie reduzierte Zäsur, die wohl einen Tacken zu lang anhält. Wenn alles verloren scheint, erhebt ein Matteo Rizzardo in Bestform erneut seine knorrige Stimme. Plötzlich geht es ganz schnell, die restliche Band setzt ein, High-Speed-Black-Metal kollidiert mit nahezu doomigen Soundscapes, was hervorragend klappt. „Sul Dolore“ bemüht hingegen nur einen kurzen, dafür betont intensiven Mittelteil mit etwas Auflockerung, bevor Calligram schließlich wieder am Rad drehen – und das funktioniert bestens.
Eskalation mal anders: „Position | Momentum“ bleibt eine chaotische Wundertüte voll rasender Wut, bemüht jedoch insgesamt einen etwas ausdifferenzierten Ansatz. Pure Explosivität kollidiert mit einem unterhaltsamen Mehr an Atmosphäre, das den Sound um Welten vielschichtiger, jedoch nicht weniger gefählich erscheinen lässt. Calligram wachsen und gedeihen weiterhin mit einer Platte, die kaum zu bändigen ist und den Unterhaltswert in raue Gefilde schraubt. Was für ein Nagelbrett.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 14.07.2023
Erhältlich über: Prosthetic Records
Facebook: www.facebook.com/calligrammusic
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