Quiet Man – The Starving Lesson
Die ehemaligen God Root wagen mit umgebautem Line-up einen namentlichen Neustart: Quiet Man sind alles andere als ruhig, und das ist nicht der einzige Widerspruch, den sie mit ihrer Musik und ihrem Auftreten transportieren. Das Quintett aus Philadelphia ist überwiegend im Sludge beheimatet, besitzt zudem ein Herz für psychedelische Klänge. Diese sollen aber keinesfalls auf wirre Trips einladen, sondern den schwerfälligen lyrischen Inhalt verdichten und eine ganzheitliche Klangerfahrung erzeugen. Auch das Artwork ihres Erstlings „The Starving Lesson“ bringt einiges an Mehrdeutigkeiten ein.
„From Tomorrow’s Dead Hiss“ thematisiert ökologischen Genozid in 13 langen Minuten, und damit ist schnell klar, wohin die zerstörerische, herausfordernde Reise dieser Band geht. Sludge dient als Ankerpunkt wiederholter Druckwellen, eine beißender als die nächste. Gerade der nahezu spirituell anmutende Mittelteil mit Chant-artigen Vocals hinter spitzen Schreien schlägt sich gekonnt aufs Gemüt nieder, der minutenlange minimalistische Abgang passt im besten Sinne ins Bild. Tracks wie „All Along, We Were Beautiful Radiant Things“, das so etwas wie Hoffnung inmitten des Untergangs spenden möchte, verdichten die musikalische Erfahrung gekonnt.
Spannend ist auch „Set To Boil Is The New Standard“, das mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus fällt. Nahezu doomiges Tempo, drückende Explosivität und eine Abhandlung über Kapitalismus als Endzeitszenario geben sich die Klinke in die Hand. Wiederholte kurze Zäsuren gehen im besten Sinne an die Substanz. Das eröffnende „Pressure To Burrow“ packt hingegen eines der besten Riffs des gesamten Albums aus und findet Gemeinsamkeiten zwischen dem eingangs erwähnten Ökozid und der Zerstörung des Selbst, wenn geliebte Menschen schweren Drogen verfallen. Der getriebene Schlussakt fährt wie ein heißes Messer durch das Seelenleben.
So zermürbend, so zerstörerisch ist aktuell kaum eine andere Band. Sludge mag die Wahlheimat von Quiet Man sein, dient jedoch häufig ’nur‘ als Mittel zum Zweck, zur kompletten Zerstörung. Die immersive Klangerfahrung erhält durch die nicht minder beklemmenden bis erdrückenden Lyrics eine zusätzliche Bedeutungsebene, und so braucht es letztlich viel Mut, um „The Starving Lesson“ tatsächlich in Angriff nehmen zu können. Die Art und Weise, wie das US-Quintett Erwartungen in ihre Bestandteile zerlegt, fasziniert und bewegt zu gleichen Teilen – Sludge für Fortgeschrittene am Ende aller Zeiten.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 14.07.2023
Erhältlich über: Riff Merchant Records / Astralands
Facebook: www.facebook.com/Quietmanband
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