Bear – Vanta
Die Jahre seit „Propaganda“ waren alles andere als einfach für Bear. Zwischen einer Krebserkrankung, zerbrochenen Beziehungen, einer globalen Pandemie und persönlichen Verlusten hatten die Belgier ordentlich zu kämpfen. Genau das nutzen sie nun als Inspiration für ihren herrlich chaotischen, ruppigen Sound und ringen diesem sogar frische Facetten ab. Nach der dunkelsten Substanz der Erde benannt, taucht „Vanta“ durch und vermengt schroffe Unverwüstlichkeit mit erstaunlich zarten Momenten voller Hoffnung.
„Repose Beyond Fate“ bringt diesen Spagat verdammt gut auf den Punkt. Während der Track in seiner Bosheit etwas an frühen Post-Hardcore sowie die Metalcore-Ursuppe der späten 90er erinnert, öffnet sich der Song in Richtung Hauptteil und ruft etwas Eingängigkeit auf den Plan. Sogar ein Hauch von Klargesang mischt mit, wischt die Wolken beiseite und sorgt in weiterer Folge für mystische Modern-Prog-Vibes – bis das Math-Hackbrett erneut ausgepackt wird. Hingegen geht „Piece“ sogleich in media res, springt mit dem Allerwertesten ins Gesicht und zerlegt alles, was sich gerade in den Weg stellt. Auch hier schimmern verhalten melodische Momente durch, docken schon mal bei Norma Jean an und bleiben doch dem geschmackvollen Chaos treu.
Ein weiterer zentraler Track dieser Platte ist „Defeatist“, das sich offensiv mit dem Kampf gegen den Krebs auseinandersetzt, von mehreren wuchtigen Druckwellen torpediert wird, aus dem Nirgendwo ein Saxofon zaubert. Fünfeinhalb Minuten wogen hin und her, suchen immer wieder das sprichwörtliche Auge des Sturms, wagen den permanenten Absturz. „Andram“ scheint zu Beginn das Erbe früher The Dillinger Escape Plan zu verwalten, bevor vermehrt Melodien das schroffe Konstrukt aufbrechen, geradezu zerlegen und damit für gewaltige, unerträgliche Spannung sorgen. Bis schließlich alles zusammenbricht.
Bear spielen sich frei, das beschreibt diesen Wahnsinn wohl am besten. Alleine schon die schiere Wucht dieser Dreiviertelstunde verzaubert und beeindruckt, dahinter verbergen sich einige magische Momente. Natürlich zermürbt „Vanta“, das liegt im Naturell dieser Platte, dieser Band, aber auch der behandelten Themen. Konstante Überforderung kollidiert mit dem urplötzlichen Einfall hoffnungsvoller bis proggiger Töne, strapaziert das Nervenkostüm und unterhält doch. Die Belgier legen ihr bislang schwierigstes Album vor, zugleich jedoch jenes mit dem größten Potenzial für Wachstum, und zwar gen Decke. Bei aller Qualität wünscht man ihnen schönere, ruhigere Tage.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 29.09.2023
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/bearpropaganda
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