Kora Winter – Gott segne, Gott bewahre

| 23. November 2023 | 0 Comments
Kora Winter

(c) Melomaniac Photo

Wie ein kolossaler Nackenschlag fuhr „Bitter“ vor gut vier Jahren durch die Landschaft und ließ Augenbrauen in die Höhe schnellen. Der anspruchsvolle Sound von Kora Winter, der The Hirsch Effekt ebenso mitnimmt wie Callejon und Heisskalt, stand und steht auf kunstvollen eigenen Beinen, anspruchsvoll, hymnisch und derb zugleich. Wie schon damals geht es auch heute um den Kampf gegen das Zurückfallen in die sich ewig drehende Spirale aus schadhaften Mustern, zwischen Macht, Ohnmacht und innerer Unordnung. „Gott segne, Gott bewahre“ geht sogar noch einen Tacken beherzter nach vorne.

Ein Track wie „Das Trauma, die Trauer“, der sich zudem gekonnt mit dem Aufwachsen mit Migrationshintergrund auseinandersetzt, steht symbolisch für die Fähigkeit, packende Texte und ordentlich Haltung (Pabst-Shirts sind so und so immer geil) mit knackiger Mucke zu vermengen. Post-Hardcore, etwas Chaos, verwaschene Eingängigkeit und stete, proggig-moderne Unruhe zersetzen sich mit wachsender Begeisterung. Johannes Prautzsch von den starken Kind Kaputt taucht in „Marmelade“ auf. Statt ein bisschen Konfitüre wächst basslastige Unruhe rüber, von Stakkato-Riffing und unheimlich nervösen Math-Untertönen begleitet. Es brodelt stetig.

Das Ende des Albums verdient ebenso besondere Aufmerksamkeit. „Alle gegen Alle“ packt deutliche Positionierung neben Ausweglosigkeit, vom fieberhaft skandierten Songtitel begleitet. Die Schrauben der Eskalation drehen sich zu, aus dem Nichts tauchen hymnische Momente auf, geradezu himmlische Zäsuren dürfen ebenso wenig fehlen. „Schuld“ greift Elemente des Openers von „Bitter“ auf und packt diese in ein meditatives Epos, fragil und beklemmend, in den richtigen Momenten von kaum zu benennender Wucht angetrieben. Vergleichsweise kompakte, zugängliche Tracks, wie das zwischen Eskalation und experimenteller Eingängigkeit pendelnde „Mann gegen Wand“, oder das zerstörerische wie verstohlen himmlische „Neuer Tag im Rattenloch“ runden gekonnt ab.

Süßer Vogel Wahnsinn, nun ist’s um dich geschehen: Kora Winter geben sich in jeder Hinsicht die Kante und nehmen einfach mehr von allem mit, auch wenn das vorher unmöglich schien. Die derbe Unvorhersehbarkeit bietet noch mehr Unterhaltungswert und zeigt eine Band, die deutlich bewusster mit den Untiefen des eigenen Klanguniversums umgeht. Wohin die Reise geht, weiß man nicht so genau, doch ist man bei „Gott segne, Gott bewahre“ gerne dabei, um der Entfaltung omnipräsenter Core-Eigendynamik beizuwohnen. Durch nicht minder starke Texte ergänzt, gelingt Kora Winter ein packender Dampfhammer, der bei jedem Durchlauf neue spannende Feinheiten offenbart.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 24.11.2023
Erhältlich über: aufewigwinter (Blood Blast Distribution)

Website: www.korawinter.de
Facebook: www.facebook.com/korawinterband

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